Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dreck

Dreck

Titel: Dreck
Autoren: Garry Disher
Vom Netzwerk:
diesem Moment sagte der Mann mit maliziöser Stimme: »Du lieber Himmel, das ist ja ein Hubschrauber.«
    Leah rappelte sich auf und trat zu ihm ans Fenster. Zunächst hatte sie nichts sehen können, doch als der Helikopter seinen Kurs änderte, erkannte sie die vertrauten Formen. Es war ein kleineres Modell, noch in einiger Distanz zur Farm. Wieder änderte er die Richtung. Sie war zuerst verwirrt, bis sie begriff, dass der Helikopter das Tal von oben gitterförmig durchforstete.
    »Weg hier, schnell«, rief der Mann.
    »Ja, aber wie?«
    Mit einer Kopfbewegung deutete er auf die Rückseite des Gehöfts. »Dort steht ein Wagen.«
    »Wozu brauchen Sie mich?«
    Der Mann sah sie mit breitem Grinsen an. »Schätzchen«, sagte er »Du wirst mich jetzt schön mit zu dir nach Hause nehmen. Denn dort werden wir gemeinsam auf Wyatt warten.«

Vierunddreißig
    Letterman dirigierte sie durch die Trockengebiete nordöstlich von Burra. Mit der Straßenkarte auf den Knien verdeckte er die Pistole, die er schussbereit auf Leahs Oberschenkel gerichtet hielt. Nur gelegentlich beugte er sich nach vorn, um einen neuen Sender im Radio einzustellen. Während der ersten Stunde hatte er nur einmal mit ihr gesprochen: Er wollte wissen, wo sie lebte. Sie hatte es ihm gesagt. Es hatte keinen Zweck, ihn zu belügen. Angesichts der verstärkten Polizeipräsenz und des landesweiten Einsatzes hatten sie beide einen sicheren Unterschlupf dringend nötig.
    Die Mordfälle im Zusammenhang mit der Entführung eines Lohntransporters wurden als Erstes von einem lokalen Sender gemeldet. Gegen vier Uhr nachmittags brachten es bereits ABC und sämtliche kommerziellen Sender rund um Adelaide. Die Polizei riegelte das ganze Gebiet ab. Man rechnete mit Festnahmen in kürzester Zeit. Doch Leah wusste, wie groß das Gebiet war, das es abzusperren galt, und Letterman – er hatte sich mittlerweile vorgestellt – manövrierte sie durch Sanddünen und flirrende Fata-Morganen. Sie wusste, dass sie sich längst außerhalb des Polizeicordons befanden. Gelegentlich fuhren sie an einem einsamen Gatter vorbei oder sahen in der Ferne ein blitzendes Dach inmitten der Salztonebene, die sich vor ihnen erstreckte. Als sie schließlich eine Stelle passierten, an der das Dickicht des Malleegestrüpps eine kurze Unterbrechung durch die Kreuzung zweier lehmverkrusteter Pfade gewährt hatte, wurde ihr klar, wohin die Reise ging. Morgan, stand auf einem Schild. Der Murray-Fluß. Letterman war im Begriff, dem Murray bis zur Mündung an der großen Brücke zu folgen und von dort in die Berge von Adelaide abzuzweigen.
    Vier Uhr nachmittags. Fünf Uhr. Sechs Uhr. Immer neue Informationen über die Ermordeten und den noch immer verschollenen Transporter förderten die Radiosender zu Tage, doch keine Silbe über Verhaftungen, keine Nennung von Namen.
    Letterman hob an, etwas zu sagen. Er blickte zu ihr hinüber und fragte: »Was denken Sie?«
    Sie wusste, was er meinte. »Er ist entkommen.«
    Letterman nickte. »Jawohl.«
    »Warum glauben Sie, dass er zu mir nach Hause kommt?«
    »Ich glaube überhaupt nichts. Es ist meine einzige Chance.«
    Sie wartete zunächst, ob er gesprächiger wurde. Als dem nicht so war, fragte sie ihn: »Und was, wenn die Bullen Ihnen zuvorkommen, ihn längst eingelocht haben?«
    Die Antwort war knapp und bestimmt. »Ich kriege ihn auch dort drin.«
    »Was wollen Sie von ihm? Wir haben das Geld nicht. Persönliche Angelegenheit?«
    »Keineswegs.«
    »Was also?«
    Letterman zuckte mit den Schultern und sagte beiläufig: »Ist eben mein Job. Er ist jemandem auf den kleinen Zeh getreten.«
    Wieder breitete sich Schweigen aus. Schließlich erreichten sie den Flusslauf und bogen in südliche Richtung ab. Die Sonne stand bereits tief und Leah schaltete die Scheinwerfer an.
    »Was zahlen sie Ihnen dafür?«
    »Fünfzigtausend.«
    »Das kriegen Sie von mir auch. Ich geb Ihnen mehr, wenn Sie uns in Ruhe lassen.«
    »Ist leider nicht möglich«, sagte Letterman.
    Sie schaute ihn von der Seite an. Letterman sah stur geradeaus. Die Pistole war noch immer auf ihren Oberschenkel gerichtet. Sie konnte sie unter der Landkarte nicht sehen, doch sie spürte ihren Lauf. Sie sah wieder auf die Straße.
    »Konzentrieren Sie sich auf den Verkehr«, sagte Letterman trocken.
    Sie wollte von ihm hören, was er vorhatte, falls Wyatt nicht bei ihr auftauchte. Sie kannte die Antwort bereits – er würde sie umbringen, gleichgültig, ob Wyatt erschien oder nicht –, aber sie wollte die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher