Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dreck

Dreck

Titel: Dreck
Autoren: Garry Disher
Vom Netzwerk:
von ihnen stieß Wyatt an, doch Wyatt interessierte die Frau nicht. Noch immer beobachtete er den Steelgard-Van, um sich jedes noch so kleine Detail zu merken. Wenn er nächsten Donnerstag zuschlug, sollte alles präzise wie ein Uhrwerk aufeinander abgestimmt sein.
    Die Leute von Steelgard waren im Laufe der Jahre nachlässig geworden, so viel war sicher. Sie hatten ihren Sitz in Goyder, einer ländlichen Stadt siebzig Kilometer entfernt, und seit sie die Banken bedienten, hatte es nie Anlass gegeben, ihre Wachsamkeit zu erhöhen. Der Van war ein kleiner, wendiger Isuzu, mit Außenscharnieren an der hinteren Tür und ganz normalen Schlössern. Aber der Van war unwichtig. Wyatts Interesse richtete sich nicht auf das Fahrzeug; im Zentrum seines Interesses standen einzig die ziemlich lax arbeitenden Wachleute.
    a) Kein Bulle weit und breit, der ein Auge auf Belcowie werfen konnte. Wenn der Pub zumachte, zeigte sich ab und zu eine Streife aus Goyder, aber höchstens für dreißig Minuten und gewöhnlich nur am Wochenende. Natürlich war nicht garantiert, dass die Polizei am nächsten Donnerstag nicht doch auftauchen würde. Aber während der heutigen Lieferung war sie nicht präsent, auch Leah hatte nie Bullen gesehen, deshalb hätte Wyatt wetten mögen, dass sie nächsten Donnerstag wiederum nicht dabei waren.
    b) Um diese Zeit war das Lager nahezu menschenleer. Die einzigen, die dieses Brachland aus Betonrohren, Benzinfässern, Baufahrzeugen und provisorischen Gebäuden bevölkerten, waren Leahs Mädchen und eine Hand voll Angestellter und Mechaniker. Um vierzehn Uhr dreißig würde sich alles ändern, wenn die Bautrupps zurückkamen, um aufzuräumen und ihre Lohntüten in Empfang zu nehmen, aber Wyatt hatte die Absicht, am nächsten Donnerstag um diese Zeit bereits hundert Kilometer weiter weg zu sein.
    c) Die Wachleute waren leichtes Spiel für ihn. Nur zwei Männer, denen noch dazu die Härte fehlte, die Wyatt meistens bei anderen Überfällen entgegenschlug. Weitere Nachlässigkeiten fielen ihm auf. Statt einen Mann den Van entladen zu lassen, während der andere Wache hielt, entluden sie ihn gemeinsam. Und von Brava half niemand anpacken.
    Wyatt beobachtete, wie die Wachleute den Van abschlossen, sich Zigaretten anzündeten und hinüber zur Kantine schlenderten. Nach dem Mittagessen kamen sie zurück zum Büro, um die Fertigstellung der Lohntüten zu überwachen. Aber in der Zwischenzeit befand sich das Geld in der Obhut eines einzigen Mannes, des Lohnbuchhalters der Brava-Construction.
    Genau dann würde Wyatt zuschlagen. Er brauchte nur noch eine Waffe, einen Partner und einen schnellen Wagen.

Zwei
    Alles war so, wie Leah es beschrieben hatte.
    Auf der Flucht nach einem vermasselten Überfall in Melbourne war Wyatt vor sechs Wochen bei ihr aufgetaucht. Seine Deckung war aufgeflogen, man suchte ihn wegen Mordes, er musste den Staat verlassen. Alles, was er besaß, waren einige Adressen und ein paar Dollar.
    Als er mitten in der Nacht in Adelaide Hills ankam, war Leahs Haus völlig dunkel. Vorsichtig schlich er um das Haus herum, Türen und Fenster fest im Blick. Die Vorhänge im Erdgeschoss waren zugezogen, aber eins der beiden oberen nachtschwarzen Gaubenfenster war geöffnet. Er klopfte und wartete. Obwohl kein Licht anging, spürte er, wie sie plötzlich hinter der Tür stand. »Leah«, rief er leise.
    Ihre Stimme war tief und hart. »Ja?«
    »Wyatt.«
    Sie öffnete die Tür, sah wie abgehetzt und blass er wirkte, und trat beiseite, um ihn einzulassen. Sie sagte nichts, auch dann nicht, als er seine .38er herausholte und damit durchs Haus schlich. Er musste es tun, sein Instinkt befahl es ihm einfach, also wartete sie, bis er wieder unten war.
    »Wie lange diesmal?« fragte sie.
    »Nicht lange. Eine Woche, vielleicht zwei.«
    »Wyatt, seit fünf Jahren haben wir uns kein einziges Mal gesehen!«
    Er nickte. In dem Augenblick merkte er, dass es wohl scherzhaft gemeint war. Er lächelte sein kurzes Haifischlächeln, wobei er den Mund irgendwie komisch verzog.
    »Bist du wieder mal am Ende?« fragte sie.
    »Nicht ganz.«
    Sie nickte. »Du bist auf der Flucht«, sagte sie. »Sieht nicht nach einem Job aus.«
    Wyatt betrachtete sie kurz. Sie hatte geschlafen und trug ein knielanges schwarzes T-Shirt. Ihre schwarzen Haare waren so kurz geschnitten, dass sie wie Stacheln vom Kopf abstanden. Sie war klein und wirkte gedrungen, doch er erinnerte sich gern an ihren runden, braunen Bauch und daran, wie flink und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher