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Drahtzieher - Knobels siebter Fall

Drahtzieher - Knobels siebter Fall

Titel: Drahtzieher - Knobels siebter Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
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gesandte zweite anonyme Brief – eine deutliche Spur in die Villa Wolff legte, von der man im Rahmen dieser Geschichte sonst kaum jemals Kenntnis erhalten hätte. Der zweite Einbruch schließlich erfolgte durch die Organisation, den eigentlichen Täter, und diente offensichtlich dem Zweck, bei Lieke oder ihrer Schwester vermutetes Beweismaterial aufzufinden. Anne van Eyck und deren Mann zum Zeitpunkt des Einbruchs vom Hof zu locken, weil Drauschner selbst vorgeblich erneut sein Erscheinen in der Villa Wolff in Niedersachsen angekündigt hatte, war ein überaus geschickter Schachzug, der wie ein Mosaikstein in das sich fügende Bild passte. Schließlich beschrieb er das gescheiterte Attentat auf sich auf dem Gelände der alten Kokerei Hansa, den Einbruch in sein Büro und Drauschners Angriff gegen sich im Parkhaus des Konzerthauses. Die Attacke endete nur deshalb nicht mit Wanningers Ermordung, weil diese Tat unerwünschte Polizeipräsenz provoziert und die Gefahr begründet hätte, dass einige Akteure ungewollt in polizeiliche Ermittlungen verstrickt worden wären. Wanninger rundete seinen Bericht mit den Fotos ab, die seine Behauptungen und Schlussfolgerungen illustrierten.
    Kurz nach vier Uhr in der Früh war er fertig geworden. Er hatte das Fenster seines Hotelzimmers geöffnet und die schweren Vorhänge zugezogen gelassen. Ein leichter Wind hatte die Vorhänge manchmal etwas aufgebläht und Wanninger für Sekunden erstarren lassen. Doch es kam niemand. Keiner wusste, wo er war. Er hatte sich in einem kleinen Vorstadthotel einquartiert, das er bis dahin nicht einmal selbst kannte. Er war durch Zufall auf das Hotel gestoßen, als er ziellos durch die Straßen fuhr und eine Bleibe suchte. Das Handy hatte er zu Hause gelassen, weil er fürchtete, dass man ihn orten könne. Sein Auto hatte er in der Seitenstraße neben einem Autowrack geparkt. Es war mehr als unwahrscheinlich, dass ihn jemand hier aufspüren würde. Als sein Text fertig war, las er ihn noch zweimal gründlich durch, glättete den einen oder anderen Satz, fügte hier und da etwas ein oder kürzte zu lange Satzreihen. Zuletzt passte alles. Die Geschichte war rund und die Beweiskette geschlossen. Die Bilder waren eindeutig. Er verlor noch ein Wort zu seiner Moral: Selbst wenn die Organisation im Interesse der deutschen Wirtschaft handelte, rechtfertigte nichts den Tod eines Menschen. Der Satz stand wie ein Programm am Ende seiner Geschichte. Wanninger wusste, dass der Satz wirkte. Allein das war wichtig und entscheidend. Er las sein Werk ein letztes Mal, dann duschte er erneut. Er musste den Schweiß abwaschen, den er bei seiner konzentrierten Arbeit produziert hatte. Richtige Arbeit muss man riechen können, pflegte er früher immer zu sagen, wenn er zu seinen Hochzeiten junge Redakteure anzutreiben versuchte, die sich zu fein waren, alles zu geben. Er hatte den beruflichen Nachwuchs zunehmend verachtet. Dass früher alles besser gewesen sei, mochte er in dieser Allgemeinheit nicht sagen, aber ihm fehlte bei der jungen Generation der Kampfgeist, der ihn nach vorn gebracht und letztlich bestätigt hatte. Mit der neuen Geschichte war er vorn und wieder dabei. Er las sie ein letztes Mal, dann vergewisserte er sich, dass seine Fotos richtig angehängt und Text und Bilder zusammen versandt werden konnten. Als er alles kontrolliert hatte, zückte er sein Notizbuch und gab die Internetadressen der Medien ein, die er dort verwahrte: Es waren die Adressen von Spiegel, Focus, Stern, DPA, BILD, FAZ, TAZ, Die Welt und so fort. Er gab jede Adresse sorgfältig ein und prüfte ein letztes Mal. Dann gab er seine Geschichte auf den Weg, geboren in Zimmer 5 dieses schäbigen Hotels am westlichen Stadtrand von Dortmund. Es war ein stilles Feuerwerk, das er entfachte. Niemand, der draußen vom Hof die sanft bewegenden Vorhänge sah, hätte vermutet, dass Gisbert Wanninger gerade einen Skandal öffentlich machte, von dem Deutschland, von dem die Welt reden würde. Es war eine Geburt, eher eine Schöpfung, die sich hier vollzog, verborgen vor und ignoriert von einer Welt, die ihr Heil in Dokusoaps und Endlosserien zu finden suchte. Als Wanninger auf Senden drückte, waren seine Haare noch nass. Er hatte ein frisches T-Shirt angezogen, das sich über seinen dicken Bauch spannte, Shorts, deren Bund genau unter seinem Bauch an eine Grenze stieß. Er sandte eine Kopie per Mail an Anne van Eyck.
    Dann fiel er ins Bett, ermattet und im Bewusstsein, ein Sieger zu sein. Das Werk
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