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Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Titel: Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)
Autoren: Stephanie Reimertz
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Champagner zu bringen. Spork trat mit ausgestreckten Armen auf mich zu, und ich klopfte ihm bei der Begrüßung auf den Rücken, als könne ich dieserart erfahren, was er im Schilde führe.
    »Aber warum bist du nicht zu uns nach Hause gekommen?« Ich spielte die Unschuld und reichte ihm ein Glas Champagner. Er kippte es in einem Zug . Er wirkte wie außer Atem, als sei er vom Bahnhof oder Flughafen zu mir gestürmt.
    »Mein Besuch ist offiziell, wenn ich so sagen darf. Mir ist eine große Freude zuteil geworden, und auch dir wird etwas zuteil werden, nämlich eine große Ehre. «
    Der Dies irae war also gekommen. Ich hörte dunkle Glocken schlagen. Aber Sardonius lachte, und ich bemerkte, daß es dieselben Glocken waren wie immer, nämlich die von der Kirche des Militärhospitals Val-de-Grâce.
    »Mach nicht so ein Gesicht, mein Lieber. Du stehst kurz vor dem Höhepunkt deiner Karriere. Heute morgen hat mich in einem Hotel in Brüssel ein Abgesandter des Rumänischen Drachenordens aufgesucht; ein Graf aus Siebenbürgen, der Deutsch mit einem charmanten Akzent sprach. Er informierte mich, daß unser wohltätiger Orden, der sich schon durch so viele Werke der Humanität und Hilfsbereitschaft ausgezeichnet hat, eine neue Tat der Menschenliebe vorbereitet. Und nun kommt das schönste: Der Drachenorden wird diesmal sein Werk durch deine Hände vollbringen!«
    Mir war als wiche das Blut aus meinem Kopf und fließe in eine Öffnung am Boden ab. Die meisten Zuschauer von Film und Fernsehen kennen Sardonius Spork nur als Darsteller von Figuren, denen man nicht im Mondschein begegnen möchte; wenige wissen, daß er auch ein großer Komiker ist. Uns so machte er mich in jenem Moment, da alle Gedanken aus meinem Schädel wichen, so frappant nach, daß ich glaubte, in einen Zerrspiegel zu schauen und eine Karikatur von mir selbst zu sehen. So konnte ich mir dem Schrecken zum Trotz das Lachen nicht verkneifen. Das kann nur ein bedeutender Schauspieler: Den Menschen dazu bringen, über sich selbst zu lachen. Wir lachten und kippten jeder noch ein Glas, dann noch eines, und dann sagte ich, als habe keinerlei Angst mich beschlichen: »Der Rumänische Drachenorden möge über mich verfügen!«
    »Danke verbildlichst«, sagte Spork und machte eine Verbeugung, die aus einem Stummfilm hätte stammen können. »Das wird er auch. Kommen wir gleich zur Sache. Hast du jemals von der Fürstin Schwarzenberg, geb. Lobkowitz, gehört?«
    Mein Gehirn blätterte im Zeitraffer durch die Gesichter der Wiener Gesellschaft, soweit ich sie in meinen Jahren als Student der Geschichte, Literatur, Mathematik und Physik und meiner Tätigkeit als Journalist und Theaterkritiker kennengelernt hatte. Die Gesichter fügten sich zusammen und stoben wie Pixel auseinander. Den Fürsten Schwarzenberg und sein Palais kannte jeder, aber etwas Lobkowitziges blieb nicht hängen. Dann aber fing sich nach und nach ein Bild. Ein Gesicht war es freilich nicht. Ich sah das prachtvolle Palais am Lobkowitzplatz mit dem Portal von Fischer von Erlach vor mir. In vielen Nächten war ich, versunken in Gedanken oder in die Augen einer Begleiterin, an dem Barockpalast vorbeigegangen, ohne ihn zu beachten.
    »Gibt e s da nicht das Palais Lobkowitz in Wien?«
    »Ich sehe, du begrei fst schnell.« Spork gab mir einen kleinen Schlag auf die Schulter, der sich wie ein Ritterschlag anfühlte. »Du bist Österreicher, hast in Wien studiert, und du weißt, was du und deine Landsleute euren großen Familien, den Trautmannsdorffs, Mensdorff-Pouillys, Waldsteins, Schwarzenbergs, Ungnad von Weißenwolffs oder eben Lobkowitzens, verdankt. Wäre Wien so schön, wenn diese Erlauchten es nicht erbaut hätten? Hätte die Moderne, auch die moderne Wissenschaft, sich zwischen primitiven Mauern entwickelt, in Gehirnen ohne jahrhundertelange Erziehung? Wenige deiner Landsleute nutzen die Gelegenheit, den Wohltätern etwas zurückzuzahlen. Sie leben von Touristen, stecken sich jedes Trinkgeld in die Tasche und überlegen nicht, wem sie die Schönheit der Stadt verdanken, um derentwillen die Spendablen anreisen. Vor jedem Amerikaner buckeln sie, und ihre eigenen Fürsten vergessen sie. Viele scheinen keinen Wert auf Erinnerung und Dank zu legen und stehlen sich ihrer Wege, als wäre Österreich im Jahre 1919 geboren. Wenn man heute durch die kleine Domäne streift, die sich Republik Österreich nennt, könnte man gar dem Eindruck verfallen, daß sich eine Art pseudorepublikanischer Undank breitgemacht
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