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Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)

Titel: Draculetta: Eine Bestürzung in Transsylvanien (German Edition)
Autoren: Stephanie Reimertz
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Kunsthistoriker schwärmten. Das wichtigste freilich schien mir in diesen Unterlagen zu fehlen, die ich immer wieder durchblätterte. Welcher Art waren die Leiden, um was für eine Krankheit handelte es sich? Schließlich hatte ich als Arzt auf Hausbesuch das Recht und die Pflicht, mich vorab über die Beschwerden meiner Patientin zu informieren.
    Am Abend vor meinem Abflug hatte ich im Internet ein wenig über die Fürstin recherchiert, aber nicht viel gefunden, auß er ein paar Artikeln aus transsylvanischen Lokalblättern, die ich mit Hilfe eines Übersetzungsprogramms las. Was ich den kurzen Zeitungsausschnitten entnehmen mußte, gefiel mir gar nicht. Danach waren von der Temeschburg immer wieder männliche Besucher der Fürstin im Krankenwagen oder Hubschrauber abgeholt und schwer verletzt ins Bezirks- oder Kreiskrankenhaus eingeliefert worden. Im Falle eines Scheichs berichtete ein Lokalblatt von sofortigem Flug nach Bukarest in die Universitätsklinik. Welcherart die Verletzungen der Männer waren, darüber schwiegen sich die Provinzgazetten entweder aus oder ergingen sich in Andeutungen, die offenbar auf rumänischen Wortspielen beruhten, und die sich mit den Übersetzungsprogrammen nicht entziffern ließen. Nur soviel bekam ich mit, daß die Fürstin, warum auch immer, im Volk Draculetta gerufen wurde. Dies freilich, sagte ich mir, konnte auf Aberglauben beruhen. Daß die Bevölkerung von Transsylvanien sehr abergläubisch ist, weiß jedes Kind.
                 

 
     
    5
     
     
    Es war nicht das erste Mal, daß ich mit dem Flugzeug in einem ehemaligen Ostblockland landete, aber nie zuvor war mir so flau im Magen gewesen. Im Bewußtsein meiner mangelnden Vorbereitung, ein wenig auch voll Ärger auf Sardonius Spork und seine Andeutungen, verließ ich die Maschine und fand mich, als sich das Ausgangstor des Bukarester Flughafens vor mir auftat, vor einer Menge meist schlechtgekleideter Männer mit Teiggesichtern und Schildern in der Hand, auf denen Namen bekannter Hotelketten zu lesen waren, zum Teil aber auch Eigennamen angelsächsischer Provenienz. Ich studierte die Schilder in der Erwartung, jemand würde mich abholen, fand aber meinen Namen ebensowenig wie den des Fürstenhauses und natürlich auch nicht den des Drachenordens. So bewegte ich mich zum Ausgang, als mich von hinten jemand ansprach: »Doktor Entenschnabel! Willkommen in Rumänien.«
    Ich drehte mich um und sah in das Gesicht eines bleichen langen alten Mannes, dessen abgeschabter schwarzer Anzug noch aus der Zeit des Kommunismus, womöglich sogar aus der Epoche davor, zu stammen schien. Er fragte, ob er mir meine Tasche abnehmen dürfe und hatte sich im gleichen Moment derselben bemächtigt. Sie enthielt Laptop, Unterlagen, ärztliche Instrumente, Kleidung und Notwendigkeiten; ohne sie fühlte ich mich freihändig und nackt. Mein Abholer deutete mit überlanger Hand nach der Drehtür, hinter der eine schwarze Limousine eines mir unbekannten, wohl noch kommunistischen, Fabrikats wartete. Der Mann legte meine Tasche in den Kofferraum, verschloß diesen und öffnete mir eine hintere Wagentür. Ich versank in übertrieben gefederte Polster und ergab mich meinem Schicksal. Es sei am besten, die Fahrt zu genießen, sagte ich mir, da niemand wissen könne, was danach käme.
    Bukarest schien aus einem Alptraum von Autobahnzubringern und Ausfahrten, Blachfeldern und Plattenbauten zu bestehen. Nichts sah ich von den halb französischen, halb orientalischen Boulevards, die ich mir in meiner Jugend als typisch rumänisch zusammengeträumt hatte. Schließlich war ich hier gewissermaßen zu Hause, sagte ich mir, um mein Grauen vor der Fremde zu betäuben. Gehörten diese Breiten nicht jahrzehntelang zu Österreich-Ungarn, nachdem wir es der Hohen Pforte und dem Einfluß des Islam abgerungen hatten? Da merkte ich, wie müde mich der kurze Flug gemacht hatte, wohl auch die Aufregung der letzten vierundzwanzig Stunden, seitdem Sardonius Spork in meiner Ordination aufgetaucht war. Ich wußte nicht, ob ich wachte oder schlief, als phantastische Stadtlandschaften an uns vorbeizogen. Der Wagen fuhr seines weit zurückliegenden Baujahrs zum Trotz zügig, ja geradezu rasant durch Alleen, zwischen Palazzi, Kirchen, Tempeln und Moscheen hindurch, dann wieder tauchte er in Wälder ein, die immer dichter und dunkler wurden, um an Ende eines dieser Wälder in einer klaren Nacht auf einem Plateau zwischen spitzen Bergen herauszukommen. Die ganze Zeit über
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