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Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker

Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker

Titel: Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker
Autoren: Syrie James
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entschieden zu sterben, um Buße für seine letzte Missetat zu tun? Hatte er meine Klinge mit Gewalt geführt,
     weil er wünschte, dass ich weiterlebte, nicht mehr von dem belastet, was er als seine ungesunde Besessenheit erkannte? Oh!
     Hätte ich nur die Stärke gehabt, seine Hand aufzuhalten! Denn trotz allem, was er getan hatte und noch zu tun plante, hatte
     ich nicht gewollt, dass er starb. Ich war von Schuldgefühlen durchdrungen, und ich wusste, dass ich den Rest meines Lebens
     jeden Tag um ihn trauern würde.
     
    Nicht lange nachdem wir wieder zu Hause in Exeter angekommen waren, wurde ein kleines Päckchen für mich abgegeben. Zu meiner
     Überraschung enthielt es einen Brief mit dem Familienwappen der Sterling.
     
    Belgravia, London 16. November 1890
    Meine liebe Frau Harker,
    bitte verzeihen Sie mir, dass ich Ihnen erst nach einer außerordentlich langen Verzögerung schreibe. Seit jenem Abend, an
     dem ich Sie so unerwartet in meinem Vestibül antraf, |516| waren Sie meinen Gedanken nie lange fern. Ich denke, dass ich damals völlig sprachlos war, weil ich so verblüfft war, Sie
     zu sehen. Meine Haushälterin, Fräulein Hornsby, teilte mir den Grund Ihres Besuchs mit und gab mir Ihre Adresse. Ich vermag
     nur zu ahnen, was Sie von mir denken mögen. Auf dass Sie keine falschen Vorstellungen von mir hegen, möchte ich die Sachlage
     aus meiner Sicht erklären.
    Vor vielen Jahren, als ich ein junger Student an der Universität war, verliebte ich mich in ein Mädchen, das in unserem Haus
     angestellt war. Sie hieß Anna Logan. Ich liebte sie bis zum Wahnsinn, und ich glaube, dass sie ähnliche Gefühle für mich hegte.
     Ich wollte, dass sie meine Frau würde. Leider ist auf dieser Welt Liebe manchmal nicht genug. Wir können nicht immer haben,
     was wir wollen; andere Dinge treten dazwischen. Meine Mutter erfuhr von unserer Beziehung, und als ich das nächste Mal zu
     einem Besuch nach Hause kam, fand ich zu meiner Betrübnis heraus, dass man Anna entlassen hatte. Meine Mutter erwähnte nicht,
     dass Anna guter Hoffnung war; sie schärfte mir lediglich die Wichtigkeit meiner Verpflichtungen ein und bedeutete mir, ich
     müsse Anna vergessen.
    Nach einiger Zeit heiratete ich. Ich habe nie wieder etwas von Anna gehört, aber sie war immer in meinen Gedanken. Jahre später,
     als meine Mutter im Sterben lag, gestand sie mir, dass sie Anna fortgeschickt hatte, weil sie ein Kind unter dem Herzen trug
     – mein Kind! Ich unternahm einen entschlossenen Versuch, sie zu finden, später dann auch mein Kind, nämlich Sie! Inzwischen
     war Anna gestorben; aber meine Nachforschungen führten mich zu dem Waisenhaus, wo Sie lebten. Ich machte eine anonyme Spende,
     mit der Auflage, dass die Mittel für die Finanzierung Ihrer Erziehung benutzt werden sollten. Als Sie vor einigen Wochen hier
     bei mir erschienen, konnte kein Zweifel bestehen, wer Sie waren. Ihre Mutter war eine wunderschöne Frau, und Ihre Ähnlichkeit
     mit ihr ist beinahe schon unheimlich.
    |517| Die Schicklichkeit verbietet es mir natürlich, Sie offen als meine Tochter anzuerkennen. Aber sollten Sie in Zukunft je meiner
     Hilfe bedürfen, können Sie sich diskret an mich wenden. Bitte glauben Sie mir, dass ich im tiefsten Herzen stolz darauf bin,
     Ihr Vater zu sein.
    Ich verbleibe mit den besten Wünschen
    Ihr Sir Cuthbert Sterling
     
    P. S. Fräulein Hornsby hat mich gebeten, dieses Buch mitzuschicken, das ein Geschenk von Ihrer Mutter war. Sie lässt Sie wissen,
     dass es eines ihrer Lieblingsbücher war.
     
    Ich las diesen Brief mit schweigender Verwunderung. Mein Vater hatte meine Erziehung finanziert! Welch seltsame und überraschende
     Wendungen das Leben doch oft bereithielt! Obwohl ich meinen Vater niemals wirklich kennenlernen würde, schuldete ich ihm doch
     viel und würde ihm immer dankbar sein.
    Zum ersten Mal in meinem Leben verspürte ich auch ein Gefühl des Friedens, was die Umstände meiner Geburt betraf. Mein Vater
     hatte geschrieben, dass er meine Mutter bis zum Wahnsinn geliebt hatte, und das war mir ein großer Trost. Hatte ich nicht
     die gleiche flammende und verbotene Leidenschaft empfunden, die meine Mutter und meinen Vater zusammengebracht hatte? Ihnen
     zumindest konnte ich vergeben, wenn ich auch immer noch darum rang, mir selbst zu verzeihen.
    Ich war so sehr in diese Gedanken versunken, dass ich beinahe vergaß, mir den anderen Gegenstand anzusehen, den das Päckchen
     noch enthalten hatte. Ich entfernte das
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