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Drachenzauber

Drachenzauber

Titel: Drachenzauber
Autoren: authors_sort
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und gefasst, obwohl ich sehen konnte, dass sie geweint hatte. Vater mochte Tränen nicht.
    Stala, die Waffenmeisterin, trug immer noch ihre Jagdkleidung. Sie hielt den Helm in einer Hand und hatte die andere auf die Schulter meiner Mutter gelegt. Stala war Mutters Halbschwester. Sie stellte, wie Vater gern prahlte, den größten Teil der Mitgift meiner Mutter und den Hauptgrund dafür dar, dass die Blaue Garde während der Herrschaftszeit meines Vaters ihren Ruf bewahrt hatte.
    Stala war im Heer des Königs ausgebildet worden und hatte dort zwei Dienstzeiten absolviert, bevor jemand auch nur bemerkt hatte, dass sie kein Mann war. Danach war sie zu ihrer Familie zurückgekehrt und Mutter schließlich nach Hurog gefolgt, wo Vater ihr die Stelle einer Waffenmeisterin angeboten hatte, obwohl kein anderer Kriegsherr im Land ihr auch nur einen zweiten Blick gegönnt hatte. Ihr Haar war inzwischen silbergrau, aber ich konnte mich erinnern, dass es einmal kastanienbraun gewesen war wie das von Mutter. Stala konnte meinen Vater bei allem außer im Ringkampf besiegen.
    Sie sah bekümmert aus, als sie meinem Blick begegnete, aber in ihren Augen stand auch eine deutliche Warnung. Als sie entdeckte, dass ich es bemerkt hatte, warf sie einen vorsichtigen Blick zum Zauberer meines Vaters, der dabei war, hektisch etwas auf ein Stück Schafshaut zu kritzeln.
    Ich zog meine Schwester mit mir zu einer Stelle, wo Vater uns sehen konnte. Er war blass, und er lag regloser unter den blutfleckigen Decken, als ich ihn je gesehen hatte. Wie Ciarra hatte auch er immer über grenzenlose Energie verfügt. Jetzt waren das einzig Lebendige an ihm die Augen, die mich in ver-geblichem Zorn anstarrten, einem Zorn, der wuchs, als er den silberfarbenen Ring an meiner Hand bemerkte. Ich fragte mich, ob er ihn wirklich dem Familiengespenst überlassen hatte, um ihn mir zu geben, oder ob Oreg ihm den Ring einfach abgenommen hatte.
    Ich berührte Stalas Schulter. »Was ist geschehen?«
    Anders als alle anderen in der Familie behandelte Stala mich stets, als wäre ich vollkommen normal.
    Das lag vermutlich zum Teil daran, dass ich ein Schwert ebenso gut führen konnte wie jeder andere.
    »Bestie war wilder als sonst«, sagte Stala mit einem Blick zu mir. Ihre Stimme drückte deutlich aus, wie sehr sie das Pferd meines Vaters ablehnte. Der Hengst mochte temperamentvoll sein, verfügte aber über solche Kraft und Geschwindigkeit, dass ich der Ansicht war, er sei es wert, sich mit seinen Problemen abzugeben. Meine Tante war anderer Ansicht; sie sagte, ein Pferd wie Bestie zu reiten sei, als kämpfe man mit einem fehlerhaften Schwert - es brach immer gerade dann, wann man es am meisten brauchte. »Er hat den Hurogmeten auf einen abge-storbenen Baum geworfen. Die meisten Wunden sind nicht ernst, aber etwas in ihm ist gebrochen. Ich bin erstaunt, dass er so lange überlebt hat.«
    »… zu Hause sterben, wie mein Vater«, keuchte der Hurogmeten und starrte mich an.
    Ich hatte ihn nie so alt gesehen. Vater hatte immer zwanzig Jahre jünger als Mutter gewirkt, obwohl er tatsächlich der ältere von beiden war. An diesem Tag jedoch schien er uralt zu sein, und meine Mutter sah nicht älter aus als Ciarra.
    »Schlimm genug, das hier alles einem Idioten hin-40

    terlassen zu müssen«, sagte er zu mir, »aber noch schlimmer wäre es zu sterben, ohne ihm die entspre-chenden Eide abverlangt zu haben. Wenn du stirbst, wirst du deinem Erben geben, was ich dir gegeben habe - schwöre es.« Seine Stimme brach, aber es fehlte seinen Worten nicht an Nachdruck.
    Er konnte nur den Ring meinen. »Ja«, sagte ich und rieb ihn.
    Er nickte, wirkte aber nicht erleichtert. »Gut. Bist du fertig, Licleng?«
    »Ja, Herr«, erwiderte der Zauberer und streute Sand über das, was er geschrieben hatte. Dann schüttelte er das Pergament und reichte es meinem Vater.
    Vater, der sich selbst auf dem Totenbett nichts vormachen ließ, las das Geschriebene. Dann winkte er nach der Feder und unterschrieb mit einer blutigen Hand, die so sehr zitterte, dass seine Unterschrift beinahe nur Gekrakel war.
    »Du bist zu jung, um Hurog zu übernehmen. Zu weich. Zu dumm«, sagte er zu mir. »Kann nicht viel gegen die Weichheit tun - obwohl die Götter wissen, dass ich es versucht habe - und auch nicht gegen die Dummheit.«
    Die Dummheit ist deine Schuld, dachte ich, sprach es aber nicht aus. Als ich zwölf gewesen war, hatte er mich halbtot geschlagen. Nachdem ich mich erholt hatte, hatte ich mich
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