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Drachentau

Drachentau

Titel: Drachentau
Autoren: Paula Roose
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duftigem Blättergewand gekleidet, wurde sichtbar. Sie war umgeben von einem glitzernden Schleier aus Sternenstaub und trug eine Krone aus Eschenblättern. Ihr schmal geschnittenes Gesicht, ihre hohen Wangenknochen und der volle Mund drückten Entschlossenheit aus. Ihr langes, braunes Haar war im Nacken zu einem Zopf geflochten. Um die Taille trug sie einen breiten, braunen Gürtel, in dessen Seite ein kleiner Ast steckte, an der Spitze von einem goldenen Eschenblatt geziert.
    Mit schnellen, leichten Schritten kam sie auf Jakob zu. »Hallo, du alter Griesgrambär«, begrüßte sie ihn mit ihren lachenden, braungrünen Augen. »Was machen die Geschäfte am Rande meines Waldes?«
    »Die Geschäfte laufen gut«, antwortete Jakob, erfreut sie zu sehen. »Aber seit wann braucht die Königin des Waldes Auskunft? Wer weiß besser, wie die Geschäfte laufen, als du, Eschagunde?«
    »Seit kluge Wesen in dieser Welt die Höflichkeit erfunden haben.« Eschagunde ließ sich neben Jakob auf der Bank nieder. »Aber Spaß beiseite, Jakob. Gibt es etwas Neues aus Mühlenau?«
    »Wie immer kommst du gleich zur Sache. Nein, mir ist nichts zu Ohren gekommen. Warum fragst du? Ist etwas passiert?«
    »Bis jetzt noch nicht. Genaues kann ich nicht sagen.«
    »Ungenaues würde auch schon reichen. Muss ich mir Sorgen machen? Es ist doch nicht etwa ... der Drache?«
    »Leider ja. Seit einigen Tagen vernehme ich Unruhe aus seiner Höhle. Ich habe versucht, ihn mit einem Zauberbann wieder zum Schlafen zu bringen. Aber es wirkt nicht so, wie ich es gehofft habe.«
    »Das sind schlechte Nachrichten. Steht ein Angriff bevor?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht ist er wach, deswegen muss er nicht gleich angreifen. Drachen sind an keine Zeit gebunden. Er kann Jahre wach sein, ohne herauszukommen.«
    »Aber du machst dir Sorgen?«
    »Ja, ich bin sehr besorgt. Ich habe keine Zeit, ihn im Auge zu behalten und euch zur Seite zu stehen. Ich werde auf dem Waldfeenrat erwartet. Deswegen meine Bitte: Sei wachsam, ich bin so schnell es geht wieder zurück.«
    »Ich weiß zwar nicht, was ein alter Bär gegen einen Drachen ausrichten soll, aber ich werde wachsam sein. Soll ich das Dorf informieren?«
    Eschagunde schüttelte den Kopf. »Nein, auf keinen Fall. Du würdest nur Panik verbreiten. Das nützt niemandem. Jeder weiß, dass es hier einen Drachen gibt.«
    Sie erhob sich und nahm Jakobs Hand. »Ich hoffe, ich komme bald zurück.«
    Jakob wollte noch etwas sagen, aber Eschagunde war verschwunden, genauso schnell, wie sie gekommen war.
    Er seufzte und dachte nach. Die alten Bilder vom letzten Angriff drängten sich auf. Walburga, seine Frau ... dort hatte der Drache gestanden, dicht vorm Wald ... Walburga war aus der brennenden Hütte geflohen ... direkt auf ihn zu gelaufen ... Er hatte sie geschnappt ... Jakob hörte es noch immer. Das Geräusch wie ihre Knochen zwischen seinen Zähnen zerbarsten ... und ihren Schrei ... »Jakob!« ... er hatte sich wie ein langer, spitzer Dolch in sein Herz gebohrt ... auf den tiefsten Grund und von dort langsam sein Herz zerfressen.
Verdammtes Scheusal!
Jakob ballte seine Hand zu einer Faust und hob sie dem einsamen Berg entgegen.
    »Hallo, Großvater, wo bist du mit deinen Gedanken, dass du es nicht einmal bemerkst, wenn du nicht mehr allein bist?«
    Er ließ seine Hand sinken. Rosa! Er hatte sie über den Schreck beinahe vergessen. »Rosa endlich. Ich habe mir schon Sorgen gemacht. Die Sonne geht gleich unter. Wo warst du so lange?«
    Rosa zuckte mit den Schultern, setzte sich zu Jakob auf die Bank und sog die frische, würzige Luft tief ein. Sie hatte glänzendes, schwarzes Fell. Ihre Gestalt war anmutig, schlank, ihre Bewegungen geschmeidig. Am Kopf war ihr Fell besonders lang und schwarz und ließ sich wunderbar zu einem Zopf flechten. Ihre Augen waren tiefbraun, umrahmt von dichten, schwarzen Wimpern. Ihre kleine braune Nase zierte ihr schmales, menschliches Gesicht. Um die Hüfte trug sie eine ihrer selbst genähten Schürzen, rüschenumrandet und in leuchtendem Lila, mit einer großen Schleife im Rücken. Darunter versteckte sich ein breiter, mit feinen Ornamenten verzierter, weißer Ledergürtel, in dem sie ein kleines Schnitzmesser mit sich trug.
    »Hier und da«, antwortete sie ihm. »Du weißt doch, wie Bären sind. Immer neugierig, immer auf ein Schwätzchen aus.«
    Jakob legte seinen Arm um sie. »Und meine liebenswürdige Enkelin lässt lieber ihren Großvater warten, als unhöflich zu sein.«
    »Ja, du
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