Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Drachenreiter

Titel: Drachenreiter
Autoren: Cornelia Funke
Vom Netzwerk:
Lung hielt sie sanft mit der Schnauze fest.
    »Lass sie gehen«, sagte er - und fuhr herum.
    Etwas Kleines huschte durch den Schnee auf ihn zu, etwas Kleines mit großem Hut und struppigem Bart. Es warf sich vor Lung und Maja auf den Bauch und rief mit jammervoller Stimme: »Erbarmen, Silberdrachen, habt Erbarmen mit mir. Erfüllt mir eine Bitte. Die Bitte meines Lebens. Erfüllt sie mir oder mein Herz wird sich den Rest meines jämmerlichen Lebens verzehren in Sehnsucht.«
    »Das ist Nesselbrands kleiner Spion, oder?«, fragte Maja erstaunt.
    »Ja, ja, ich gebe es zu!« Kiesbart rappelte sich auf die Knie und blickte verlegen zu ihr hinauf. »Aber nicht freiwillig. Er hat mich gezwungen, jawohl.«
    »Pah, Lügner!«, rief Fliegenbein und kletterte aus dem Flugzeug der Ratte. »Freiwillig bist du damals zu ihm gerannt. Aus purer Goldgier. Ohne dich hätte er nie von Lung erfahren!«
    »Na ja«, murmelte Kiesbart und zupfte an seinem Bart. »Vielleicht. Aber ...«
    »Guck dich um!«, unterbrach Fliegenbein ihn. »Jetzt kannst du baden in seinem Gold. Wie wäre das?«
    »Ist das deine Bitte?« Lung streckte sich und blickte mit gerunzelter Stirn auf den Zwerg hinab. »Sag schon. Wir alle sind müde.«
    Aber Kiesbart schüttelte den Kopf. So sehr, dass ihm fast der Hut herunterfiel.
    »Nein, nein, das Gold interessiert mich nicht mehr!«, rief er. »Keine Spur. Ist mir völlig egal. Ich will«, er breitete die kurzen Arme aus, »ich will in der Höhle bleiben. Das will ich.« Gespannt sah er die beiden Drachen an.
    »Wozu?«, fragte Burr-burr-tschan misstrauisch.
    »Ich möchte sie schöner machen«, flüsterte Kiesbart. Er blickte sich andächtig um. »Ich möchte die Steine, die sich in ihr verbergen, zum Vorschein bringen, ganz vorsichtig, ganz behutsam. Ich kann sie sehen, wisst Ihr? Ich kann hören, wie sie flüstern. An den Wänden, in den Säulen. Ein bisschen Klopfen hier. Ein zartes Schaben da. Und schon strahlen und funkeln sie in allen Farben des Regenbogens.« Er seufzte und schloss die Augen. »Es wird wunderbar.«
    »Aha«, brummte Burr-burr-tschan. »Na ja, das hört sich nicht schlecht an. Aber die Entscheidung treffen die Drachen.«
    Lung gähnte und sah Maja an. Die Drachin konnte vor Müdigkeit kaum noch auf den Beinen stehen. Sie hatte so viel Feuer gespien, dass ihr zum ersten Mal im Leben kalt war.
    »Ich weiß nicht«, sagte sie mit einem Blick auf die versteinerten Drachen. »Ich brauche diese Höhle nicht mehr, jetzt, wo ich mich nicht mehr vor dem Goldenen verstecken muss. Aber was ist mit ihnen? Wird sein Klopfen sie nicht stören?«
    Kiesbart schaute sich um. »Von wem redest du?«, fragte er beunruhigt.
    »Komm«, sagte Lung und hielt ihm seinen Schwanz hin. Zögernd setzte der Zwerg sich zwischen die Zacken und Lung trug ihn um die riesige Goldlache herum zu den versteinerten Drachen. Maja und die anderen folgten ihnen.
    »Das hier«, erklärte Lung, als Kiesbart von seinem Schwanz auf die Pranke eines versteinerten Drachen sprang, »das sind die anderen zwanzig Drachen, die Nesselbrand gesucht hat. Fliegenbein hat dich belogen um Nesselbrands Jagdeifer nicht zu dämpfen und ihn hierher zu locken.«
    Der Zwerg betrachtete die versteinerten Leiber interessiert.
    »Sie haben kein Mondlicht mehr getrunken«, sagte Maja. Sie ließ sich auf den Boden sinken. Der Schnee schmolz in der Wärme der Höhle. Wasser blitzte auf dem Höhlenboden. Für Nesselbrand war es zu spät, um darin zu verschwinden.
    »Ja, ja, das passiert schnell«, murmelte Kiesbart und klopfte fachmännisch mit dem Finger gegen eine steinerne Pranke. »Steine wachsen schnell. Das wird unterschätzt.«
    Keiner hörte ihm so recht zu. Lung ließ sich schläfrig neben Maja nieder. Burr-burr-tschan und Schwefelfell bereiteten sich ein Pilzpicknick. Lola wischte Goldspritzer von ihrem Flugzeug. Alle waren müde von dem Kampf, der hinter ihnen lag. Nur Ben hatte aufgehorcht bei Kiesbarts Worten.
    »Was heißt das?«, fragte er und hockte sich neben den Zwerg. Fliegenbein kletterte auf Bens Knie. »Hast du so was schon mal gesehn? Dass was Lebendiges zu Stein wird?«
    »Sicher.« Kiesbart legte seine Hand auf die steinernen Drachenschuppen. »Fabelwesen passiert das ganz leicht. Eure Burgen sind doch voll von ihnen. Drachen, geflügelte Löwen, Einhörner, Dämonen, alle versteinert. Die Menschen finden sie und stellen sie auf, denken, sie wären ganz und gar aus Stein. Sind sie natürlich nicht. Meistens ist noch ein Hauch Leben in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher