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Drachenlanze - Die Erben der Stimme

Drachenlanze - Die Erben der Stimme

Titel: Drachenlanze - Die Erben der Stimme
Autoren: Tina Daniell
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den Duft ein; es roch nach Ingwer und
Gewürznelken. Diese Delikatessen würden das fehlende Bier
wettmachen, beschloß er. Er stellte das Bild wieder auf den
Tisch und bemerkte, daß ein paar von den Holzspielsachen, die
er der Hebamme geschenkt hatte, daneben herumlagen.
»Oh, du hast Clairek gefunden«, frohlockte die Hebamme.
»Die Tochter einer Freundin, erst letzten Monat geboren. Und
das«, sie zeigte auf die anderen Miniaturen auf dem Tisch,
»sind Terjow, Renate und Marstev. Alle im letzten Jahr zur
Welt gekommen.«
»Ich dachte, du hättest dich zur Ruhe gesetzt«, äußerte Flint
dazu.
Sie zuckte mit den Schultern, wobei eine Locke aus dem
silbernen Knoten an ihrem Hinterkopf entwischte. »Kinder
kommen immer zur Welt. Und wenn mich jemand braucht,
werde ich nicht sagen: >Tut mir leid, ich bin im Ruhestand.<«
Nachdem schließlich beide Gäste einen ihrer Kekse
geknabbert und eine Tasse Schwarztee getrunken hatten, wollte
Eld Ailea das Teegeschirr auf dem kleinen Tisch abstellen,
doch der war komplett mit Bildern und Spielzeug bedeckt. Sie
sprach ein paar scharfe Worte in einer fremden Sprache, und –
Flint blinzelte – plötzlich gab es ein freies Fleckchen in genau
der richtigen Größe zwischen den Porträts. Dort stellte sie die
Teekanne und den Keksteller in Reichweite ihrer Gäste ab und
setzte sich dann auf einen kleinen Schemel. Sowohl Tanis als
auch Flint sprangen auf, um ihr einen Polsterstuhl anzubieten,
doch sie lehnte ab.
»Das hier ist besser für den Rücken einer alten Frau«, sagte
sie augenzwinkernd.
Sie starrte Tanis an, als hätte sie auf diesen Augenblick
jahrelang gewartet. Sie betrachtete eingehend und prüfend sein
Gesicht und achtete dabei überhaupt nicht auf das Unbehagen
des Halbelfen. Sie murmelte: »Die Augen seiner Mutter.
Derselbe Schwung. Haben sie dir gesagt, Sohn, daß du Elansas
Augen hast?«
Tanis sah beiseite. »Meine Augen sind braun. Sie sagen, daß
ich Menschenaugen habe.«
»So wie ich, Tanthalas«, erwiderte Eld Ailea sanft. Das Licht
des Feuers flackerte über ihr dreieckiges Gesicht, und ihre
Augen verzogen sich humorvoll. »Ich habe auch die geringe
Größe meiner menschlichen Vorfahren geerbt. In einem Wald
von Elfen, die so groß wie Espen sind, bin ich… ein Busch.
Aber die Welt braucht wohl auch Büsche, glaube ich.«
Sie lachte fröhlich, doch der Halbelf schien nicht überzeugt.
Dann fuhr sie fort.
»Ich bin teils Mensch, Tanthalas, aber ich bin auch teils Elf.
Ich bin vielleicht klein, aber ich bin schlank – und das ist
elfisch. Meine Augen sind rund und braun, aber mein Gesicht
ist spitz wie das der Elfen. Sieh dir meine Ohren an, Tanthalas
elfisch, aber meine Haare trage ich wie eine Menschenfrau,
was, wie ich sagen darf, manche meiner Elfenpatienten
befremdet.«
Als sie wieder lachte, funkelten ihre warmen Augen im
Feuerschein. »Wie Menschen bin ich offen für Veränderungen.
Wie Elfen habe ich allerdings Gewohnheiten, die ich nie
verändere – selbst wenn jemand so unglaublich dreist sein
sollte, mir einen Weg vorzuschlagen, der möglicherweise
besser ist.«
In Tanis’ Blick entdeckte Flint Verwunderung
– und
Einsamkeit. Doch als der Halbelf sprach, klang seine Stimme
bitter. »Aber ich wette, daß dein menschlicher Anteil nicht von
einem Vergewaltiger stammt.«
Eid Ailea zuckte zusammen, und Tanis schien sich immerhin
zu schämen. Die Hebamme entschuldigte sich mit der Ausrede,
die Kekse nachzufüllen. Als sie wiederkam, waren ihre
Augenlider gerötet.
»Verzeih mir, Eld Ailea«, sagte Tanis.
»Ich habe Elansa geliebt«, erwiderte sie schlicht.
»Selbst ein halbes Jahrhundert hinterher tut es mir noch weh,
wenn ich daran denke, was ihr zugestoßen ist.«
Sie reichte ihm den Teller, den er ohne einen Blick darauf an
Flint weitergab. Dann setzte sie sich wieder und schlang die
Arme um ihre Knie. Plötzlich sah Flint, wie sie als junge Elfin
in Kargod ausgesehen haben mußte – geschmeidig, lebhaft und
wunderschön. Er hoffte, daß sie auf ein glückliches Leben
zurückblicken konnte.
»Tanthalas«, sagte sie, »ich hatte gehofft, dich eines Tages
wiederzusehen – um den Mann mit dem Kind zu vergleichen.
Ich muß sagen, als Mann bist du viel, viel ruhiger«, sie lachte
still in sich hinein, »aber du bist auch weniger vertrauensvoll,
was man wohl von jedem Erwachsenen erwarten muß. Aber
ich sehe schon, dein Leben im Palast war gewiß nicht einfach.
Ich hatte gehofft, von deinem Freund hier etwas über dich
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