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Drachenlanze - Die Erben der Stimme

Drachenlanze - Die Erben der Stimme

Titel: Drachenlanze - Die Erben der Stimme
Autoren: Tina Daniell
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glattstrich, der um ihren Kopf ging und in dem Knoten auf
ihrem Hinterkopf endete.
»Gibt es auch eins von mir?« Seine Stimme klang rauh von
dem Versuch, unbeteiligt zu erscheinen. Flint hoffte innerlich,
daß die Hebamme ihn nicht enttäuschen würde.
»Nicht hier unten, nein.« Tanis’ Schultern sackten bei dieser
Antwort zusammen.
»Dein Bild habe ich in meinem Zimmer«, ergänzte sie und
lief sogleich zu einer Steintreppe, die links von der Tür zur
Küche aus dem Eingangsraum nach oben führte.
Flint stellte fest, daß er wortlos einen Blick mit dem
Halbelfen wechselte, während sie über sich den Schritten der
alten Hebamme lauschten. Mitternacht war inzwischen längst
vorüber, und schon in wenigen Stunden würden sie zur Jagd
auf den Tylor aufstehen müssen, doch Flint wäre lieber
gestorben, als Tanis jetzt zum Aufbruch zu drängen.
Plötzlich stand Eld Ailea auf der ersten Stufe, und Flint
fragte sich, ob ihre magischen Fähigkeiten das Teleportieren
einschlossen. Für jemanden, der mehrere Jahrhunderte alt war,
war sie jedenfalls erstaunlich leichtfüßig.
»Hier«, sagte sie und reichte Tanis ein Porträt in einem
Silberrahmen, der filigran mit Gold verziert war, dazu einen
Stahlanhänger an einer Silberkette. »Der Anhänger gehörte
Elansa. Sie hat ihn mir vor ihrem Tod gegeben.«
Fast ehrfürchtig nahm Tanis das Bild in die eine Hand und
den Anhänger in die andere. Er schien nicht zu wissen, was er
zuerst ansehen sollte. Die grünbraunen Augen des Halbelfen
glänzten feucht, doch das konnte auch vom Licht herrühren.
»Dieses Gesicht hat sie also gesehen«, flüsterte der Halbelf,
und Flint drehte sich unwillkürlich zur Seite und starrte ins
Feuer. Gewiß war der Rauch daran schuld, daß er selbst alles
verschleiert sah.
Eid Ailea blickte Tanis über die Schulter. »Du warst ein
kräftiges Kind, Tanthalas
– erstaunlich gesund für jemanden,
dessen Mutter bei seiner Geburt so schwach war.«
Tanis schluckte. Als Ailea fortfuhr, konnte Flint, der nur
wenige Fuß entfernt stand, sie kaum verstehen. Er fragte sich,
ob das die Stimme war, mit der die alte Hebamme Mütter in
den Wehen tröstete und Babys mit Koliken beruhigte. »Elansa
hat Kethranan innigst geliebt, Tanthalas. Schon ganz früh in
der Schwangerschaft hat sie, glaube ich, beschlossen, daß sie
ohne ihren Mann nicht mehr leben wollte, aber sie lebte weiter,
weil sie hoffte, daß das Baby von ihm sein würde.«
Tanis’ Gesicht wurde hart. »Als sie mich dann sah«, sagte er,
»wußte sie die Wahrheit.« Er wollte der Hebamme das Bild
zurückgeben, doch sie nahm es nicht.
»Nein, Tanthalas.« Eld Aileas Stimme war freundlich, doch
ihre Hand lag fest auf seiner Schulter. »Als sie dich sah, als sie
dieses Gesicht sah, das du jetzt betrachtest, hat sie, glaube ich,
ihre Meinung geändert. Sie hat sich soweit zusammengerissen,
daß sie ihr Baby stillen konnte, aber es war alles zuviel für sie.
Durch all das, was sie seit Kethrenans Tod durchgemacht hatte,
war sie einfach zu schwach.« Die Stimme der Hebamme
verklang. »Bis zu ihrem Tod hielt sie dich im Arm.«
Es würde still im Zimmer, und nur schwere Atemzüge waren
noch zu hören
– seine eigenen, erkannte der Zwerg. Er
räusperte sich und hustete.
Nach einer Pause, in der keiner der drei einen der anderen
ansah, fragte Tanis: »Was ist mit dem Anhänger?«
Eid Ailea nahm ihn in die Hand. »Er ist aus Stahl und sehr
wertvoll. Kethrenan hat ihn ihr zur Hochzeit geschenkt. Sie hat
ihn immer getragen. Ich hielt es für einen Segen, daß die
Räuber ihn ihr nicht genommen hatten, denn sie schien das
bißchen Kraft daraus zu ziehen, das sie in jenen letzten
Monaten hatte.« Sie ging zu Flint und zeigte ihm das Amulett.
Efeu und Espenblätter umrahmten die verschlungenen Initialen
»E« und »K«. Eine muschelartige Verzierung schmückte den
Rand der runden Scheibe.
Anscheinend war alles gesagt. Flint und Tanis schwankten
vor Müdigkeit, und selbst die betont unermüdliche Hebamme
wirkte erschöpft. In unausgesprochenem Einverständnis gingen
die beiden Männer zur Tür. Eld Ailea holte Tanis’ Schwert, das
er am Kamin stehengelassen hatte. Sie steckte es in die
Scheide, doch dann zögerte sie. Auf ihrem Gesicht zeigte sich
ein merkwürdiger Ausdruck.
»Dieses Schwert…«
Tanis sagte stolz: »Das hat Flint gemacht.«
»Ja, ich weiß«, sagte sie etwas stotternd. »Es ist wunderbar.
Aber…«
Zwerg und Halbelf warteten, während die Hebamme ihre
Gedanken ordnete. Sie holte tief
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