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Drachenkaiser

Drachenkaiser

Titel: Drachenkaiser
Autoren: Markus Heitz
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diesen Worten lupfte er kurz den Hut von den vollen grauen Haaren und drängelte sich an Grigorij vorbei. Er ging zu seiner Begleiterin, die mit ratloser Miene danebengestanden hatte, dann machten sie sich auf den Weg. Voss lief dabei hinter ihr, weil sie nicht nebeneinander auf den Bürgersteig passten. Schließlich sah er noch einmal über die Schulter zum Fürsten. Dieses Mal fehlte jeder Anflug von Freundlichkeit. Die Kälte, die aus seinen Augen schlug, schien sogar die Temperaturen in Edinburgh zu senken. Es wurde tatsächlich eisig.
    Ich hätte wohl etwas zurückhaltender sein sollen. Grigorij tat sein Benehmen mäßig leid, aber der Deutsche war ihm einfach unsympathisch. Für die Beschimpfung zu Anfang hatte er sich auch nicht entschuldigt.
    Grigorij sah Voss und die Lady im Nebel verschwinden. Es hatte ihm großen Spaß bereitet, ansatzweise das alte Spiel zwischen Mann und Frau zu spielen, auf das er sich so hervorragend verstand. In diesen Tagen kam jedoch nur eine in den vollen Genuss seiner Liebe und Leidenschaft.
    Er steckte die Karte in die Tasche und sah nun erst auf die Auslagen. Schlagartig hob sich seine Laune. »Sieh mal einer an: Whisky! Litzow, wenigstens dein Geschenk habe ich«, murmelte er und betrat pfeifend den Laden.
    Zwei Stunden später packte Grigorij die Geschenke auf die Rückbank des Ford Modell T Phaeton. Er hatte alles beisammen, was er für das Fest der Liebe benötigte: eine Flasche schottischen Whisky einer einmaligen Abfüllung für Litzow sowie den dezenten, aber geschmackvollen Schmuck für seine Gemahlin, den er vor zwei Wochen bestellt hatte. Und nicht zuletzt ein seidenes, außergewöhnlich besticktes Strumpfband für die Sammlung für Anastasia, wie er sie in der Öffentlichkeit nannte. Denn ihren eigentlichen, wahren Namen Silena gab es nicht mehr. Die Person Silena gab es nicht mehr: Sie war am Triglav gegen die Drachen gefallen. Nur so konnten sie beide in Ruhe vor der Vergangenheit leben.
    Die verpackten Geschenke lagen beruhigend vor ihm, und er schloss die Tür. Auch wenn er seit einem Jahr das Motorradfahren für sich entdeckt hatte, bevorzugte er bei einer solchen Witterung das Automobil.
    Starker, eisiger Wind hatte den Nebel vertreiben.
    Grigorij sah zum dunklen Himmel, aus dem die ersten, dicken Schneeflocken fielen. Zeit, dass ich nach Hause komme. Eine Sache fehlt mir noch. Er verschloss den Wagen und ging auf den Tabakladen zu, ye Smokin Aces, der sein Lieblingskraut verkaufte. Es handelte sich um einen milden, mit Rotwein, Nelken und Vanille aromatisierten Tabak, der ein unglaubliches Aroma entfaltete. Von den vielen Lastern aus seiner Vergangenheit, wie
    Frauengeschichten, Absinth, Haschisch und Alkohol jeglicher Art, hatte er sich getrennt. Bis auf seine Wasserpfeife.
    Schnee. Die Heimfahrt kann ja heiter werden. Ich hätte mich vorhin nicht über den Nebel beschweren sollen. Er hielt den Zylinder am Rand fest, damit er nicht davongeweht wurde.
    Ein Schatten näherte sich ihm, und Grigorij wich zur Seite aus.
    Aber der Mann folgte seinen Bewegungen und stand unvermittelt vor ihm. Die einfache Kleidung und die fleckige Cordschirmmütze wiesen ihn als Arbeiter aus. In seiner Rechten hielt er einen Schlagstock, mit dem er ohne Vorwarnung nach dem Fürsten hieb.
    »Ho, Bursche! So nicht!« Grigorijs Reflexe waren gut genug, um die Attacke mit dem Spazierstock abzufälschen. »Verdiene dir dein Weihnachtsgeld mit anständiger Arbeit.« Dann schlug er dem Unbekannten gegen den Hals. »Touche!« Hustend und geräuschvoll nach Luft ringend, sank der Mann vor ihm nieder – da griff der nächste an.
    Er kam direkt aus dem Gestöber, schwang einen Prügel und warf sich mit einem wütenden Schrei gegen den Fürsten.
    Grigorij sprang zur Seite, und die grob in Form geschnitzte Latte krachte gegen die Motorhaube des Coupes, wo sie eine deutliche Beule hinterließ. »He! Das wirst du mir bezahlen!«
    Sein Gegner kümmerte sich nicht um den Einwurf und setzte seine Attacken schnell und ungestüm fort. Grigorij wich immer wieder aus, bis er ihm den Fuß in den Bauch trat und ihn gegen eine Straßenlampe schleuderte. Eine der schweren Glasscheiben löste sich aus der Halterung. Sie fiel dem Mann auf den Kopf und zerschellte klirrend. Stöhnend sank er nieder.
    Das Platschen eines Fußes in eine Pfütze warnte Grigorij; er wirbelte herum und hob den Stock. Klirrend traf das Hartholz gegen eine Eisenstange, die ihm ansonsten in den Nacken gerauscht wäre. Vor ihm standen
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