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Drachenkaiser

Drachenkaiser

Titel: Drachenkaiser
Autoren: Markus Heitz
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davon, dass Grigorij in festen Händen war, konnte er diesen Typus Frau, der ihn anhimmelte und alles für ihn tun würde, nicht leiden. »Was immer Sie über mich gehört haben«, antwortete er, »früher hätte es gestimmt.« Trotz seiner leichten Abneigung juckte es ihn herauszufinden, was er bei ihr auslösen konnte. Er nahm die behandschuhten Finger und deutete einen Kuss an. Strähnen seiner langen schwarzen Haare rutschten von der Schulter nach vorn, die restlichen wurden vom Zylinder gebändigt. »Ich hätte Sie umgehend zu mir eingeladen, wir hätten Haschisch geraucht und uns mit Absinth trunken gemacht, um uns danach hemmungslos im Rausch zu lieben«, sprach er leise. Sie schluckte, ohne die Augen von ihm abzuwenden, wie es schicklich gewesen wäre.
    »Sir?«, sagte der Dicke und klang alarmiert. Was gesagt wurde, verstand er offenbar nicht, aber spürte auch so, dass sich vor seinen Augen etwas abspielte, das nicht rechtens war.
    »Sie wären auf Ihre Kosten gekommen wie ich auf meine.« Grigorij lächelte und gab sie frei. »Dabei wäre es mir gleich gewesen, ob der Gentleman neben mir Ihr Gatte, Ihr Verlobter, Ihr Bruder oder sonst wer ist. Auf ein Duell mehr oder weniger kommt es mir nicht an. Ich würde ohnehin siegen und Sie, Teuerste, gleich wieder ins Schlafzimmer entführen.«
    Die Frau hauchte etwas Unverständliches.
    »Verzeihen Sie, Sir?«, hob der Dicke wieder an und tippte ihm auf die Schulter. »Sie wollten doch an mir vorbei. Dann gehen Sie endlich, Sir!«
    Grigorijs blaue, ozeantiefe Augen hatten ihren Blick angezogen und erlaubten kein Ausweichen. Er wusste: Seine nahezu hypnotische Stimme schuf in ihrem Verstand Bilder der Wollust. »Da diese Zeiten jedoch vorüber sind…« Grigorij beließ es grinsend bei der Andeutung und unterbrach den Blickkontakt. Mehr als Illusionen und falsche Versprechungen gab es nicht mehr. Ich kann es noch!
    »Oh«, entschlüpfte es ihr seufzend. Sofort schlug sie sich errötend die Hand vor den Mund.
    »Sie sagen es, Teuerste.« Grigorij zeigte mit seinem Stock auf den Dicken. »So wird das nichts, Sir. Würde es Ihnen etwas ausmachen, ein paar Schritte nach hinten zu gehen? Bis zum Eingang? Wenn Sie sich hineinmanövrieren, könnte ich vorbeiziehen wie ein schnittiger Segler an einem behäbigen Dampfer.«
    Ein Automobil fuhr dicht vorbei, Wasser spritzte aus einer braunen Pfütze gegen seine von Gamaschen gezierten Lackschuhe.
    »Dann segeln Sie mal schön weiter, dreckig, wie Sie sind.« Der Korpulente grinste schadenfroh und wich bis in den Eingang zurück. »Sollten Sie Duraluminium für Ihre Luftschiffe oder Ihre abenteuerlichen Neukonstruktionen benötigen, Fürst Zadornov«, sagte er, als Grigorij an ihm vorbeischritt, und streckte ihm eine Karte hin, »lassen Sie es mich wissen. Wir liefern alle Formen, die Sie benötigen.«
    Grigorij blieb stehen und nahm die Karte aus den Wurstfingern entgegen. »Wilhelm Voss«, las er halblaut und wechselte dabei ins Deutsche. »Aus Berlin? Das ist weit weg.«
    »Das Wetter ist das Gleiche«, gab der Mann zurück. Er wirkte kurz verunsichert, zumal er sich seiner deutschen Worte von vorhin erinnerte.
    »Geschäftlich hier, Sir?«
    »Man braucht deutsches Metall beim Wiederaufbau von Edinburgh. Ich bin hier, um letzte Verhandlungen zu führen. Die Dame, mit der Sie sich so eindringlich flüsternd und meines Erachtens unhöflich mir gegenüber unterhielten, ist Lady Susan MacCarthy. Sie unterstützt mich bei den Treffen.«
    Und ist erfreulicherweise nicht an dir interessiert, Voss. Grigorij sah in die dunkelgrauen Augen des Deutschen, in denen er Abneigung gegen sich las: Der Geschäftsmann nahm ihm einerseits sein Benehmen krumm und witterte andererseits die Gelegenheit, ein einträgliches Geschäft anzubahnen. »Dann wünsche ich Ihnen Erfolg. Es ist noch immer viel zu tun.«
    »Wem sagen Sie das?! Neu-Edinburgh wird anders aussehen, wenn ich hier fertig bin. Moderner«, erwiderte Voss selbstgefällig. »Wir haben den Stadtoberen und Queen Viktoria der Zweiten Pläne vorgelegt, die es wie New York erscheinen lassen werden. Die Flammen haben der Stadt im Grunde etwas Gutes gebracht.«
    »Wirklich?« Grigorij zuckte mit den Achseln. »Mir gefiel der alte Charme besser.«
    Die Abneigung gegen ihn war nun noch deutlicher auf Voss‘ Zügen zu lesen, dennoch sagte er: »Sie können mich jederzeit anrufen oder mir ein Telegramm senden. Es wäre mir eine Freude, die Skyguards zu meinen Kunden zählen zu dürfen.« Mit
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