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Drachenblut

Drachenblut

Titel: Drachenblut
Autoren: David Lee Parks
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seine Kreise und tauchte in die Straßenschluchten hinab, bevor er klar erkennen konnte, um welche Art von Flugkörper es sich handelte. Diese merkwürdigen Beobachtungen konnte der Chef vielleicht einmal, zweimal in der Woche machen. Das Beunruhigende an der Sache aber war, dass dieses Flugobjekt in unmittelbarer Nähe des Verlagsgebäudes zu starten und zu landen schien.
        DAS GEHEIMNIS DES SCHWARZEN SCHATTENS - HERAUSGEBER ENTDECKT FREMDE LEBENSFORM
        Ein Vogel knallte gegen die Glasscheibe, brach sich einen Flügel und trudelte betäubt abwärts. Der Chef zählte einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig, vierundzwanzig, fünfundzwanzig. Jetzt würde der gefiederte Freund unten auf der Straße aufschlagen, und wenn er Glück hatte, dann überfuhr ihn eine schwere Limousine, bevor ihn die Katze erwischte.
        ABSTURZ IN DIE HÖLLE - VERSPIEGELTE FENSTERSCHEIBE VERNICHTET DAS GLÜCK EINER JUNGEN VOGELFAMILIE
        Der STAR war die bedeutendste Tageszeitung am Platze. Dieser Überzeugung war zumindest der Herausgeber des Blattes, der von seinen Mitarbeitern ehrfürchtig nur der »Chef« genannt wurde, weil er so furchtbar aufbrausend sein konnte. Seinen richtigen Namen hatte man in all den Jahren vergessen, und auf die Idee, einfach im Impressum nachzulesen, war noch nie jemand gekommen. Der Chef verfolgte also den Absturz des Vogels mit dem Fernglas, verlor ihn jedoch kurz vor dem Aufprall aus den Augen. Dafür sah er unten einen dunklen Wagen vorfahren. Das war Fink, der mangels ausreichenden Parkraums in die Blumenrabatte fuhr und seinen Arbeitstag wie üblich mit Verspätung begann.
        UNPÜNKTLICHER REDAKTEUR BRINGT ANGESEHENEN HERAUSGEBER AN DEN RAND DES WAHNSINNS
        Der Chef ging zu seinem Schreibtisch und drückte den Schalter an der Sprechanlage. »Fräulein Schneider?«
        Die Leitung knisterte und krachte, und zwischen den Störgeräuschen war eine Antwort der Sekretärin nicht auszumachen. Wieder einmal hatte er den Verdacht, die Sekretärin produziere diese Übertragungsstörungen selbst. Zu sehr ähnelten sie dem Geräusch langer lackierter Fingernägel, die über die Plastikrippen am Mikrofon kratzten. Der Chef hatte ihr das aber nie nachweisen können, und nur zu gerne hätte er jetzt die Tür zum Vorzimmer aufgerissen, um nachzusehen, was seine Sekretärin gerade anstellen mochte. Noch aber widerstand er der Versuchung, weil er vermutete, gerade dies wäre die Reaktion, welche die Sekretärin provozieren wollte, nur um dann über ihn zu lachen, wie leicht er doch vorzuführen sei. Dieses Spielchen hatte sie schon oft genug mit ihm getrieben, bis er zum Spott der ganzen Abteilung geworden war. Es waren bestimmt schon Wetten abgeschlossen worden, wie lange es wohl diesmal dauern würde, bis er aus seinem Zimmer geschossen käme.
        HERAUSGEBER WIDERSTEHT VERSUCHUNG - ODER WAR DOCH NUR DIE SPRECHANLAGE DEFEKT?
        Mit zwiespältigen Gefühlen stellte sich der Chef wieder an das Fenster und starrte in den Himmel hinaus. Manchmal wünschte er sich, er wäre so frei wie dieser kleine schwarze Punkt, der dort am Horizont unbeschwert seine Bahnen zog. Der Punkt flog Kreise, Dreiecke und andere geometrische Muster, und mit einem Mal erahnte der Chef die Bedeutung seiner Beobachtung: Konnte das eine Botschaft sein? Schnell hob er das Fernglas vor die Augen und visierte das Objekt an. War es ein Flugzeug? Ein Vogel? Nein, es war …
        Das gegenüberliegende Hochhaus drängte sich in sein Blickfeld, verdeckte ihm die weitere Sicht auf das Objekt und hinderte ihn daran, die entscheidenden Studien vorzunehmen. Als sein Blick über die Fassade des Hochhauses wanderte, um vielleicht auf der anderen Seite den Sichtkontakt zum Objekt wieder herzustellen, sah er drüben eine Gestalt im Büro stehen, die mit einem Feldstecher zu ihm hinüberschaute.
        ENDLICH BEWIESEN: BEKANNTE TAGESZEITUNG AUSSPIONIERT!
        Im gegenüberliegenden Gebäudekomplex residierte die Redaktion der POST, der zweiten örtlichen Tageszeitung, die vom Niveau her lange nicht mit dem STAR konkurrieren konnte. Bei der POST war man da natürlich anderer Ansicht, entsprechend herablassend gab man sich im Umgang mit dem STAR.
        Schnell ließ der Chef das Fernglas in einer Schublade verschwinden, außer Atem riss er dann die Tür zum Vorzimmer auf. »Schnell, Fräulein Schneider, kommen Sie!«
        Fräulein Schneider saß an ihrem Schreibtisch, lackierte sich die Fingernägel und
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