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Drachenblut

Drachenblut

Titel: Drachenblut
Autoren: David Lee Parks
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Woche.«
        »Habe ich denn nun was verpasst oder nicht?«
        Zuerst konnte es Hank nicht fassen, mit welcher Dreistigkeit sich die Versammlung auflöste. Um aber nicht wie ein Idiot dazustehen, packte auch er seine Sachen zusammen und klopfte mit der Hand auf das Rednerpult. »Damit erkläre ich die Sitzung für offiziell beendet.«
        Hank war gerade dabei, als Letzter den Versammlungsraum zu verlassen, als sich ihm die Kellnerin in den Weg stellte. Heute war kein guter Tag.
     

3
     
    Der Chef stand am Fenster seines Büros und schaute auf die Stadt hinab. Klein war sie von hier oben, die Stadt, und klein waren auch die Menschen, die in ihr wohnten. Sie lösten sich in der Ferne der Straßenschluchten auf in oszillierende Punkte, die hier und da zusammenstrebten, miteinander kollidierten, um dann in alle Richtungen auseinanderzulaufen und sich irgendwo an anderer Stelle ein erneutes Stelldichein zu geben. Tja, von hier oben war das Leben sehr übersichtlich. Die Frage nach dem woher und wohin stellte sich aus dieser Entfernung nicht mehr. Man war einfach Teil des Stromes, der die Stadt am Leben hielt. Blieb noch die Frage nach dem warum, aber der Chef war augenblicklich nicht in der Stimmung, sich mit Fragen zu beschäftigen, deren Beantwortung ihm doch nicht gelingen wollte.
        Wäre er noch ein kleiner Junge gewesen, dann hätte er jetzt bestimmt einen Papierflieger gefaltet und in den Himmel geworfen. Als Erwachsener verbot sich das natürlich. Vielleicht kam er gelegentlich noch dazu, eine Zigarettenkippe zum Fenster hinauszuschnippen, aber die Zeiten waren schon längst vorbei, in denen er übermütige Spielchen hatte treiben können. In seiner Position als Herausgeber des STAR ruhte große Verantwortung auf seinen Schultern, auch wenn er sich manchmal wünschte, er wäre wieder ein kleiner Junge.
        Der Chef seufzte. Hier oben schien es beinahe, als gehöre er nicht mehr zu dieser winzigen Welt dort unten, einer Welt, zu der er den Bezug verloren hatte, obwohl der STAR gerade über diese Stadt berichtete, die sich mit jeder Sekunde neue Schlagzeilen für die nächste Ausgabe einfallen ließ, ohne dass man sie lange darum bitten musste. Und auch sein eigenes Leben war eine Schlagzeile, die vom Schicksal jeden Tag neu formuliert wurde.
        HERAUSGEBER STEHT GELANGWEILT AM FENSTER - ER NIMMT SICH VOR, MORGEN EINMAL PERSÖNLICH IN DIE STADT ZU GEHEN (»Mein Gott … wie hat sich alles verändert!«)
        In seinem Aktenschrank hatte der Chef hinter einer Klappe ein Fernsehgerät stehen. Dieses Geheimnis wurde von ihm gut gehütet. Nichts wäre ihm peinlicher gewesen, als von der Sekretärin oder der Redaktion beim Fernsehen ertappt zu werden. Daher verschloss er immer in der Pause die Bürotüre von innen, was wiederum unter der Belegschaft Befremdung auslöste und für wild ins Kraut schießende Spekulationen sorgte. Es gab aber für den Chef nichts Angenehmeres, als sich in der Mittagspause in seinen Ledersessel zurückzulehnen und durch die Kanäle zu hüpfen. Dabei konnte er all diejenigen Sendungen aufzuspüren, die er als Kind immer heimlich (wie sich die Zeiten doch ähnelten!) zu später Stunde gesehen hatte und an die er sich jetzt so gerne mit verklärter Nostalgie erinnerte, auch wenn sie dann aus heutiger Sicht einfach langweilig waren.
        Eigentlich hätte er die in Kürze stattfindende Redaktionsbesprechung vorbereiten sollen. Aber ohne die Unterlagen, die ihm Fink noch vorlegen wollte, war nicht daran zu denken. Außerdem musste noch über das Layout der Rätselseite entschieden und das Titelmädchen ausgewählt werden. Wenn er sich nicht bald an die Arbeit machte, versprach der Nachmittag wieder hektisch zu werden.
        WO BLEIBT FINK? RÄTSELRATEN UM VERSCHWUNDENEN REDAKTEUR
        Das Chefbüro lag auf der vierundzwanzigsten Etage des Verlagsgebäudes, eines modernen aber ästhetisch wenig reizvollen Zweckbaus. Der Chef hatte sich leicht nach vorne gebeugt und stützte nun das Gewicht seines Körpers mit der Stirn ab, die er gegen das Fenster presste und aus der folglich das Blut wich, bis die Haut ganz bleich geworden war. Seine Arme hatte er hinter dem Rücken verschränkt, und in der rechten Hand hielt er einen Riemen, an dem ein Fernglas baumelte. Mit dem Fernglas wollte er einem Phänomen auf die Spur kommen, das er schon seit einiger Zeit mit Interesse verfolgte: In unregelmäßigen Abständen stieg am Himmel ein unbekanntes Objekt auf, zog dort
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