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Dr. Silberfisch in gemeiner Mission

Dr. Silberfisch in gemeiner Mission

Titel: Dr. Silberfisch in gemeiner Mission
Autoren: Harald Tonollo
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Rauchwolke zur Tür.
    »Doktor Silberfisch!«, rief Pit völlig außer Atem, nachdem der Kinderarzt die Haustür geöffnet hatte. »Ist alles in Ordnung? Es hat gerade eben bei ihnen geknallt!«
    »Aber ja«, hustete der Erfinder. »Nur ein kleiner unbedeutender Fehler.« Er klopfte sich den Ruß aus dem Kittel und versuchte, sein wirres Haar glatt zu streichen. »Was führt dich zu mir, junger Freund?«
    »Sie müssen sofort kommen! Polly sieht ganz fürchterlich aus! Wie ein Streuselkuchen! Sie muss schrecklich krank sein!«
    »Polly? Streuselkuchen?«, erwiderte der Doktor verdattert und kräuselte die Stirn.
    »Rote Flecken im ganzen Gesicht!«, ergänzte Pit aufgeregt.

     
    »Soso«, meinte Doktor Silberfisch. »Dann würde ich an deiner Stelle schleunigst zu Doktor Kleinschmidt gehen und ihm das sagen.«
    »Doktor Kleinschmidt? Wer ist Doktor Kleinschmidt?«, fragte Pit nervös.
    »Mein Nachfolger. Ich bin jetzt im Ruhestand und …«, der ehemalige Kinderarzt räusperte sich, nahm seine Brille von der Nase und rieb sie an dem schmutzigen Kittel, »Erfinder.«
    »Aber … aber … Sie waren doch immer mein Kinderarzt. Erinnern Sie sich nicht an mich? Ich bin Pit –
der
Pit, dem immer die Nase gelaufen ist.«
    Hinter dem Bart des Doktors formten die Lippen ein breites Lächeln. »Oh ja! Ich erinnere mich. Ich habe deiner Mutter immer ein Päckchen Taschentüch…«
    »Und jetzt brauche ich Ihre Hilfe«, fiel Pit dem Arzt ins Wort. »Bitte! Ich kenne diesen Doktor Kleinschmidt doch gar nicht.« Doktor Silberfisch schnaufte einmal laut, kratzte sich am Hinterkopf und sagte dann: »Also schön! Ich hole meine alte Arzttasche und die Autoschlüssel. Ich bin in drei Minuten wieder da.«
    Pit fiel ein Felsbrocken vom Herzen.

     
    Doktor Silberfischs Auto musste ungefähr im selben Jahr gebaut worden sein, in dem er geboren worden war. Es gab weder Sicherheitsgurte noch Nackenstützen. Der Motor machte einen Heidenlärm und hatte alle paar Hundert Meter eine Fehlzündung – was sich ungefähr so anhörte, als würde das Gefährt laut pupsen.
    »Da sind wir!«, sagte Pit ungeduldig, nachdem sie den einsamen Weg zum Haus der Rottentodds hinter sich gebracht hatten.
    Doktor Silberfisch trat auf die Bremse und das Auto hielt mit einem ohrenbetäubenden Quietschen und einem letzten lauten Pups vor dem Haus der Rottentodds.
    Umständlich stieg der Doktor aus, knallte die Fahrertür zu und begann, Haus und Garten zu mustern.
    »Interessant«, murmelte er schließlich. »Es gibt nicht viele Gärten, in denen bei allen Rosen die Blüten abgeschnitten, die Disteln und Brennnesseln aber geradezu gezüchtet werden. Hochinteressant!«
    »Können wir jetzt?«, drängte Pit.
    »Immer mit der Ruhe, junger Freund«, entgegnete der Arzt und folgte Pit ins Innere des Hauses.
    Im Flur liefen sie Pollys Vater, Patrizius Rottentodd, über den Weg. Dieser war gerade im Begriff, zur Arbeit zu gehen, undzog sich eben seinen tiefschwarzen, an den Ärmeln etwas ausgefransten Mantel über sein traurigschwarzes löchriges Jackett.
    »Oh!« Herr Rottentodd sah den Doktor verwundert an. »Sie haben einen Trauerfall in der Familie?«
    »Äh, nein«, antwortete Doktor Silberfisch verwirrt.
    »Wie schade«, erwiderte Pollys Vater.
    »Schade?«, wiederholte der Kinderarzt ungläubig und mit noch größerer Verwirrung.
    »Ich bin stolzer Besitzer eines Bestattungsinstituts, müssen Sie wissen«, erklärte Patrizius Rottentodd. »Und da fragt man gerne einmal nach.«
    »Verstehe«, erwiderte Doktor Silberfisch verständnisvoll und zupfte die Ärmel seines karierten Sakkos zurecht.
    »Also dann, einen schönen Tag.« Herr Rottentodd verneigte sich leicht und wollte gerade gehen, da fiel ihm noch etwas ein.
    »Aber … verzeihen Sie meine Neugier. Wenn Sie bedauerlicherweise keinen Trauerfall in Ihrer Familie haben … was führt Sie dann in mein Haus?«
    »Polly ist krank«, fuhr Pit dazwischen, dem das alles viel zu lange dauerte. »Und Doktor Silberfisch ist Arzt.«
    »Oh«, wunderte sich Pollys Vater, der Pit erst jetzt bemerkte.
    »Ja, wenn das so ist …« Er runzelte die Stirn. »Was hat meine Tochter denn?«
    »Kein Grund zur Sorge«, antwortete der Doktor.
    »Na, dann ist ja alles bestens.« Beruhigt verließ Patrizius Rottentodd das Haus.
    Pit starrte den Arzt fassungslos an. »Sie haben Polly doch gar nicht untersucht!«
    »Nein, aber ich habe gehört, was du mir erzählt hast«, sagte Doktor Silberfisch. »Streuselkuchen und so. Trotzdem –
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