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Dr. Ohio und der zweite Erbe

Dr. Ohio und der zweite Erbe

Titel: Dr. Ohio und der zweite Erbe
Autoren: Mark Stichler
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hin. Irgendetwas musste gleich passieren, so viel war sicher. Eine Erscheinung, ein Licht ... eine Kuh. Da stand eine Kuh mitten im Wald. Um diese Zeit ...
    Wieri stolperte durch den Märchenwald. Er würde wiederkommen. Oder zurückgehen, sich über Parabolantennen ins Dorf schwingen, kichernd die billigen, schmutzigen kleinen Geheimnisse der Dorfbewohner durch die gelbscheinenden Luken und Dachfenster erspähen, über die Schindeln ihrer gedeckten Häuser spazieren, seinen vegetarisch ernährten Asketenkörper in die Mitte des Platzes befördern ... Öffentliche Schande, Strafe und Gerechtigkeit ... Eicheln und Bucheckern würden seine Nahrung gewesen sein, wäre er denn im Wald geblieben ... Die Kälte machte ihm doch nichts aus, obwohl es ja Sommer war ... Er würde sie sich alle untertan machen, diese Kuh musste den Anfang machen mit ihren hellen Augen, dem stumpfen, verliebten Blick.
    Die Kuh wich nicht und starrte ihn gleichmütig an. Wieri wankte davon, leise in sich hineinbrabbelnd, er schwang große Reden, stieß wichtige Warnungen aus, rotierte um einen Baum, denn es war der kürzeste Weg. Werden wir ihn je wiedersehen, oder wird er eine jener sagenhaften, mythischen Gestalten werden, die diesen Wald bewohnen?
    Was hat das Fieber aus ihm gemacht?
    Einen Söldner des Blutes – nein,
    einen Kämpfer Gottes.
    Gab es da nicht mal einen, der ... Ach, die Reihen schließen sich. Wie selbstverständlich stapfte die Kuh hinter Wieri her, mit einem mäßigen Interesse, ihn nachsichtig betrachtend. Dieser Junge da, also, sie wusste auch nicht ... Woher sollte sie auch?
    Ach, seine Gefährtin. Gottes Wege sind unergründlich und doch wandeln wir sie.
    Da saß er, am Rand des Waldes und beobachtete den ersten, dünnen Streifen Morgen, der von Osten her über den Horizont floss, glänzte wie Aluminium, der das dunkle Blau der Nacht an deren äußerstem Ende verwässerte, die Sterne versilberte, sie zum Flackern brachte. Aber es würde noch lange dauern, ehe man von einem Morgen sprechen konnte, noch sehr lange. Das Gras zu seinen Füßen war noch schwarz. Eine Million Würmer arbeitete unter ihm, um die Erde zu lockern, damit er ganz langsam hineingleiten, absinken konnte.

16
    Im dumpfen Zimmer,
die Hitze des Tages weicht
im glutroten Licht
    Dr. Ohio ging die Auffahrt zu Höpfners Villa hinunter. Unter seinen Füßen knirschte der Kies, durch den sich breite Spurrillen zogen. Schmidts Villa muss es jetzt eigentlich heißen, dachte Ohio und drehte sich noch einmal nach dem großen Haus mit den dunklen, eckigen Giebeln um. Es lag ruhig und still da wie immer. Auf der linken Seite blühten ein paar Blumen, die in der Mittagshitze strahlend blau, gelb, lila und rot leuchteten. Weiter hinten gab es einen umzäunten Garten, der verwildert war. Die Wiese ums Haus lag von der heißen Sonne ermattet da.
    Ohio räusperte sich, steckte die Hände in die Hosentaschen und schlenderte weiter die Auffahrt hinunter. Auf einmal hatte er gute Laune und wusste nicht genau, warum. Er ging die Landstraße entlang nach Waldenbuch. In etwa zwei Kilometer Entfernung tauchten hinter den Obstbäumen unten im Tal die ersten Häuser der Burkhardtsmühle auf.
    Boris hatte sein Erbe angetreten. Die Polizei hatte sie zurückgebracht und Dr. Ohio war schnurstracks mit ihm nach Tübingen in die Bachgasse gegangen, in der Dr. Laudtners Kanzlei lag. Sie hatten für den nächsten Tag einen Notartermin vereinbart und Boris hatte alle nötigen Unterschriften geleistet. Dr. Ohio bestand darauf, dass er die Zeit bis zum Termin wenigstens für das Aufsetzen eines vorläufigen eigenen Testaments nutzte, sodass die Stiftungsklausel in Höpfners Testament unwirksam wurde. Später konnte Boris es immer noch ändern.
    Ohio hatte Laudtner den Schreck an der Nasenspitze angesehen, als sie zu dritt in sein Büro marschierten. Der Anwalt war aufgestanden und leichenblass geworden. Die Kommissarin hatte Ohio bestätigt, dass Laudtner die Telefonnummer von Adlers Bauernhof mit ziemlicher Sicherheit auf seinem Display hatte sehen können. Damit wäre es ein Leichtes für ihn gewesen, die zugehörige Adresse in Erfahrung zu bringen. Ohio warf sich immer noch unverzeihlichen Leichtsinn vor, den Anwalt von Adlers Telefon aus angerufen zu haben. Allerdings konnte ein Kontakt zwischen Wieri und Laudtner anhand der Telefonverbindungen nicht nachgewiesen werden. Die Polizei würde die Sache aber auf jeden Fall weiter untersuchen.
    Laudtner stritt jeden Kontakt und jegliche
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