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Dr. Ohio und der zweite Erbe

Dr. Ohio und der zweite Erbe

Titel: Dr. Ohio und der zweite Erbe
Autoren: Mark Stichler
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sie nur mühsam ihre flackernde Leidenschaft?
    Dr. Ohio träumte von einem Kappa, der ihn in seinen See locken wollte. Ohio lachte ihn aus, denn es war ihm bekannt, dass Kappas den Menschen nicht immer wohlgesonnen waren und ab und zu versuchten, sie in ihren Gewässern zu ertränken. Dieser Kappa jedoch versicherte ihm, dass er ihm helfen wolle und dass er unbedingt zu ihm ins Wasser kommen solle.
    „Du musst besser argumentieren!“, rief Ohio dem Kappa aus sicherer Entfernung zu und lachte. Der Kappa winkte ihm und verschüttete ein bisschen von der Flüssigkeit, die er auf dem Kopf trug. Gleichzeitig wunderte sich Ohio innerhalb seines Traums, dass ihm im Traum ein Kappa erschien. In all den Jahren, die er fern von Japan gelebt hatte, war ihm noch nie eine Figur aus der japanischen Mythologie erschienen. Oder? Er wandte sich anderen Unwägbarkeiten zu.
    Erika lag reglos in ihrem Bett und ließ ein leises, fast unhörbares Schnarchen hören. Ihre blonden Haare lagen wirr auf dem Kissen. Sie streckte den Fuß und das halbe Bein unter der Decke hervor, weil ihr zu warm war. Unter ihren geschlossenen Lidern bewegten sich ihre blauen Augen, fuhren hin und her. Was Erika träumte, war unergründlich. Kein Mensch würde es je erfahren.
    Alle lagen in tiefem Schlaf, nur Boris’ vom Qualm in der Zugtoilette geschwollene und empfindliche Schleimhäute reagierten sofort auf die dünne Spur von Rauch in der Luft. Der Qualm zog in feinen Fäden durch Mund und Nase bis in seine Stirnhöhle und kratzte an den gereizten Gängen in seinem Kopf. Nervös schlug er die Augen auf.
    „Feuer“, flüsterte er. Mit einem Satz war er aus dem Bett und stolperte durch das dunkle, unbekannte Zimmer ans Fenster. Unten auf dem Hof sah er einen schwachen, flackernden Lichtschein ums Haus. Als sich seine Augen an das schwankende Dunkel gewöhnt hatten, sah er am Rand des Hofs eine Gestalt. Das musste Wieri sein. Der verdammte Wieri. Obwohl der Calvinist viel zu weit weg war, glaubte Boris, in seinen kranken Augen sich das Feuer spiegeln zu sehen, mit dem er jetzt zum dritten Mal versuchte, ihn zu töten. Jetzt reicht es, dachte er. Du mieses Dreckstück. Aber in diesem Moment setzte Wieri zu seinem Spurt über die Wiese an. Boris hörte nur noch sein irres Lachen und das Aufheulen des Motors. Dann war er weg.
    Er kümmerte sich nicht weiter um den Finnen, schnappte sich seine Bettdecke, rannte aus dem Zimmer und die Treppe hinunter.
    „Feuer!“, schrie er. „Es brennt!“
    Sie hatten Glück im Unglück. Das Wohnzimmer war der einzige Raum, in dem es wirklich brannte. Nur dort waren Wieris Wurfgeschosse tatsächlich durch die Fenster geflogen. Die anderen Flaschen waren an der Mauer oder den Fensterkreuzen zersprungen.
    Im Wohnzimmer standen die Vorhänge allerdings schon in hellen Flammen und leckten über die blank gewienerten Dielen des Fußbodens. Ein Teppich hatte Feuer gefangen und kokelte vor sich hin. Boris griff sich einen Schürhaken und riss die brennenden Vorhänge damit herunter. Dann warf er seine Decke darauf, um die Flammen zu ersticken. Aus den Augenwinkeln sah er Herrn Adler die Treppe herunterstampfen.
    „Nehmen Sie kein Wasser!“, schrie er ihm zu. „Mit Wasser ist es nicht zu löschen. Nehmen Sie Decken oder so was!“
    Herr Adler rannte in die Scheune und kam mit einem Armvoll alter, staubiger Kartoffelsäcke wieder. Inzwischen waren auch Dr. Ohio, Erika und Frau Adler unten. Frau Adler rief sofort die Feuerwehr an. Ihr Mann warf die Säcke auf die Flammen, die außen am Haus hochzüngelten, und trampelte mit seinen großen Füßen darauf herum. Dr. Ohio und Erika halfen Boris, den Brand im Wohnzimmer zu löschen.
    „Dieser verdammte Wieri“, murmelte Boris verbissen, als er zusammen mit Dr. Ohio versuchte, die Flammen am Boden zu ersticken. „Ich hab ihn gesehen.“ Dr. Ohio nickte. Sonst redeten sie nichts weiter, bis das Feuer unter Kontrolle war.
    Als die Feuerwehr eintraf, kokelte es nur noch an ein paar Stellen und aus den geöffneten Fenstern des Wohnzimmers drang übel riechender Qualm. Die Feuerwehrleute kümmerten sich darum, während die Adlers und ihre Gäste erschöpft auf den Stufen zum Haus saßen. Frau Adler hatte Wasser geholt, um den Rauch aus den Kehlen zu spülen. Als die Feuerwehrleute fertig waren, gab es für alle einen Schnaps.
    Herr Adler saß da und schüttelte ungläubig den Kopf.
    „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Mein Gott, wenn Sie nicht gewesen wären ... Uns wäre der
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