Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Downtown Blues

Downtown Blues

Titel: Downtown Blues
Autoren: Myra Cakan
Vom Netzwerk:
bei meiner Lieblingsgarküche vorbei, kaufe mir das Tagesgericht und gehe nach Hause. Ich esse und checke, ob ich es mir leisten kann, heute noch zu duschen. Fast habe ich mich an warmes Essen und fließendes Wasser gewöhnt. Ich muss wachsam bleiben. Schon morgen kann alles wieder anders sein. Sicherheit ist wie dünnes Eis – trügerisch und glatt.
    Am nächsten Tag liegt eine Meldung aus der Uptown vor. »Stardust« ist der Name einer diesen neuen Sekten, nur UPTN-Mitglieder, da ist viel Geld im Spiel, viel Protektion. Falls es eine Mitgliederliste gibt, ist sie geheim.
    »Das ist alles?« DelMonico bekommt schmale Augen. Sie hat so ein Gefühl. Es meldet sich immer, wenn man ihr Infos vorenthalten will, macht sie erst richtig heiß. Plötzlich ist jeder Ausdruck von Routine aus ihrer Körpersprache verschwunden, ist sie der Jäger und die City ihr Revier – die dunklen Gassen der DWNTN und die reiche Glitzerstadt. Gefahr, das ist der Kick, den sie braucht. Ihre Droge.
    »Ich glaube, du hast ihn, Partner.« Sie mustert mich anerkennend.
    Ich fühle mich unbehaglich unter ihren Blicken. Was meint sie bloß?
    »Cop-Instinkt. Kann dich weit bringen, wenn er dich nicht vorher umbringt.« Sie lacht.
    Was ist daran so komisch? Ob er wohl irgendwann kommt, der Tag, an dem ich keine Angst mehr haben muss, über meine Füße, meine Worte zu stolpern? Wie wird man so selbstsicher wie CF-Agent DelMonico? Da, wo ich herkomme, lernt man so etwas nicht. (Woher komme ich?)
    Zehn Minuten später hat Del einen Uptown-Pass von Fraser, gültig für zwei CF-Agenten. Die halten mächtig viel auf ihre Privatsphäre, die Typen aus der Oberstadt. Haben ihre eigenen Cops, haben ’ne rotnackige Bürgerwehr – halten ihre Straßen frei von dem Gesindel aus der Downtown.
    »Lass uns ’nen kleinen Ausflug machen, bevor wir Cat treffen«, sagt sie lässig.
    »Du glaubst also, an den Gerüchten ist was dran?«
    Sie zuckt die Schulter, grinst. »Ich hab schon lange keinen mehr von der Bürgerwehr verprügelt.«
    Ich weiß nie so genau, wann DelMonico einen Witz macht, schwer zu durchschauen, diese Frau. Ist es das, was sie so gut macht? Sogar Fraser frisst ihr aus der Hand, besorgt sonst keinen UPTN-Pass so auf Verdacht. Oder hat sie nur Protektion? Ein nahe liegender Gedanke, wäre da nicht ihre Abschussliste.
    Privilegien und Protektion, damit läuft alles, völlig gleich ob du ’n Cop bist oder Mitglied in ’ner Gang. Gibt dir das richtige Gesicht, das, mit dem du verschlossene Türen aufkriegst, und verschafft dir die richtigen Kontakte.
    Gibt nur zwei Sachen, die laufen anders bei der CF – da zählt nur, was du selber einbringst. Denen ist es völlig gleich, wo du herkommst. Wenn du das Training nicht packst, bist du draußen, endgültig. Und dein Partner – ihr hängt voneinander ab, auf Leben und Tod. DelMonico weiß das, sie muss mir genauso vertrauen wie ich ihr. Sonst machst du es nicht lange »da draußen auf den Straßen, wo Freundschaft dir nur ein müdes Lächeln kauft und Vertrauen ein anderes Wort für ein Messer in deinem Rücken ist« – so hab ich es mal irgendwo gehört.

    »… denn das ist, was wir alle wollen – eine saubere Stadt. Ich danke Ihnen, auch im Namen meiner Frau, die abends durch die Straßen unserer Stadt gehen kann, und im Namen meiner Kinder, die eine drogenfreie Schule besuchen.«

    – Bürgermeister Lane Warring auf dem jährlichen Festessen der Uptown-Miliz

    In der Uptown gelten die gleichen Regeln. Bloß verstecken sie sich hier hinter weißen Mauern mit bewaffneten Wachposten, Penthäusern mit teuren Alarmanlagen und beheizten Pools. Nur die Luft ist anders, von trügerischer Frische und Reinheit. Und da ist auch dieser Geruch von Rechtschaffenheit, jener Art Rechtschaffenheit, die man für guten Kredit kaufen kann, der den Gestank der DWNTN mit ihren schmutzigen Deals überdeckt.
    Ich starre auf den sauber geleckten Bürgersteig, auf das frische Grün der Seitenstreifen und hübschen, kleinen Hecken. Das hier ist Disneyland und keine Stadt, in der Menschen lieben, schwitzen, krank sind und sterben. Fast erwarte ich, dass mir lebensechte Animatronics entgegenkommen und »It’s a small world« trällern. Könnte ich mich hier ohne meine Partnerin zurechtfinden? Will ich mich hier überhaupt zurechtfinden? Dies ist die Welt der Eloi, und unter meinen Füßen brummen, von den verwöhnten Uptownern ignoriert, die Maschinen der Morloks.
    DelMonico bewegt sich sicher auf dem reichen Pflaster.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher