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Dornröschens Erlösung

Dornröschens Erlösung

Titel: Dornröschens Erlösung
Autoren: Anne Roquelaure
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er davon erfuhr, band er mich an die Stallwand, Arme und
Beine weit gespreizt, und peitschte mich mit einem breiten Lederriemen aus, bis
er selbst ganz erschöpft war. Ich zitterte und bebte elendiglich und wagte es
nicht, den Schwanz an den Steinen zu reiben, aus Angst, ich könnte losspritzen.
Als er mich endlich befreite, kniete ich zu seinen Füßen und küsste seine
groben Stiefel.
    “Sei nie wieder so tollpatschig, Laurent“, warnte er. „Es
beleidigt mich, wenn du ungeschickt und tollpatschig bist.“
    Ich weinte vor Dankbarkeit, als er mich seine Hände küssen
ließ. Als es Frühling wurde, konnte ich es kaum glauben, dass neun Monate
vergangen waren. Tristan und ich lagen zusammen auf dem Erholungshof, weinten
und gestanden uns unsere Trauer.
    “Nicolas wird zur Königin gehen“, sagte Tristan, „und darum
bitten, mich kaufen zu dürfen, wenn unser Jahr hier vorüber ist. Doch die
Königin ist nicht erfreut über seine Leidenschaft. Was wird mit uns geschehen, wenn
unsere Tage hier vorüber sind?“
    „Ich weiß es nicht. Vielleicht werden wir an die Ställe
verkauft“, sagte ich. „Wir sind gute Rösser.“
    Doch es war wie all unsere Gespräche dieser Art reine
Spekulation. Alles, was wir wussten, war, dass die Königin erst über unser
weiteres Schicksal entscheiden würde, wenn unser Jahr vorüber war. Als ich das
nächste Mal den Hauptmann der Garde sah und er mir erlaubte zu sprechen, erzählte
ich ihm, wie sehr Tristan sich wünschte, zu Nicolas zurückkehren zu können, und
dass ich nichts mehr wünschte, als ein Pony bleiben zu können. Wie hätte ich
nach meinem Leben als Pony etwas anderes ertragen können? Er lauschte meinen
Worten mit offensichtlichem Mitleid.
    „Ihr beide seid ein Gewinn für die Ställe“, sagte er. „Ihr
habt euer Futter doppelt und dreifach verdient.“ Mehr als das, dachte ich, aber
ich schwieg.
    “Gut möglich, dass die Königin Nicolas' Wunsch entspricht, so
wie es für dich die natürlichste Sache wäre, noch ein weiteres Jahr hier zu
bleiben. Die Königin ist mehr als erfreut, dass ihr ruhiger geworden seid und
euch zu benehmen   wisst. “
    „Ist Lexius noch bei ihr? “ fragte ich.
    „Ja, und sie ist hart zu ihm. Doch genau das braucht er“, antwortete
der Hauptmann. „Und dann ist da ein lieblicher junger Prinz, der ins Land kam
und sich selbst ihrer Gnade ausgeliefert hat. Es heißt, dass ihn Prinzessin
Dornröschen über die Gewohnheiten der Königin unterrichtet hat. Stell dir das
vor. Er flehte, nicht fortgeschickt zu werden.“
    „Ach, Dornröschen.“
    Ich fühlte einen plötzlichen Schmerz. Ich glaube, es war
kein Tag vergangen, an dem ich nicht an sie gedacht hatte. Dornröschen in ihrem
samtenen Kleid, eine Blume in ihrer Hand. Verloren für immer in Züchtigkeit, armer
Liebling Dornröschen. . .
    “Prinzessin Dornröschen für dich, Laurent“, verbesserte mich
der Hauptmann.
    “Natürlich, Prinzessin Dornröschen“, sagte ich leise und
ehrfürchtig.
    “Lady Elvira fragt ständig nach dir“, erzählte der Hauptmann.
    “Hauptmann, ich bin so glücklich hier . . . „
    „Ich weiß. Ich werde tun, was in meiner Macht steht. Doch
sei weiterhin gehorsam, Laurent. Du hast noch drei weitere Jahre der
Knechtschaft vor dir, dessen bin ich mir sicher.“
    „Hauptmann, da ist noch eine Sache.“
    „Was ist es? “
    „Prinzessin Dornröschen . . . Hast du je etwas von ihr
gehört?“
    Seine Miene wurde ein wenig traurig und wehmütig.
    „Nur, dass sie bald vermählt wird. Die Freier rennen ihr die
Türen ein.“
    Ich wandte den Blick ab, damit er nicht sah, was ich empfand
- Dornröschen vermählt. Ich vermisste sie schmerzlich.
    “Sie ist jetzt eine große Prinzessin, Laurent“, sagte der
Hauptmann, um mich zu necken. „Du hast schändliche Gedanken, das kann ich
sehen!“
    „Ja, Hauptmann“, gestand ich. Und wir lächelten beide. Doch
es war nicht leicht für mich.
    “Hauptmann, ich möchte es gar nicht wissen, wenn sie
vermählt wird.“
    „Das klingt gar nicht nach dir, Laurent.“
    „Ich weiß. Aber wie soll ich das erklären?“
    Unser Beisammensein im Dunkel des Schiffes, ihr kleines
Gesicht blutrot, als sie unter mir kam, ihre Hüften, die so ekstatisch
schwangen und zuckten, und wie sie mich fast mit all meinem Gewicht emporhob. Natürlich,
der Hauptmann kannte diesen Teil der Geschichte nicht. Oder etwa doch? Wochen
vergingen. Ich hatte kein Gefühl mehr für die Zeit. Ich wollte nicht wissen, wie
schnell sie verstrich.
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