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Dornröschengift

Dornröschengift

Titel: Dornröschengift
Autoren: Krystyna Kuhn
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wich ich zurück. Doch dann ließ ic h mich auf die Knie fallen, kroch über den feuchten Boden ins In nere der Höhle und ließ mich aufatmend gegen die Wand fal len. Das Tosen der Wellen, der Wind und mein Herz, das so lau t schlug, dass ich glaubte, die Wände der Höhle hallten davon wi der . Wie lange hatte ich so gesessen ? Lange ! Ich spürte, wie ich zur Ruhe kam. Endlich allein! Endlich konnt e ich in Ruhe nachdenken. Niemand war da. Niemand wusste, w o ich war. Ich schloss erschöpft die Augen . Und dann hörte ich es ! Ein dumpfer Laut aus dem hinteren Teil der Höhle, wo es stock finster war . Wie ein Tier . Das Blut gefror mir in den Adern . Ich drückte mich gegen die Wand, schloss die Augen, versucht e wegzuhören, öffnete sie wieder, um ins Dunkel zu starren . Mein Herz, gerade zur Ruhe gekommen, verfiel erneut in sei nen dumpf schlagenden Rhythmus . Dann raschelte es, etwas schleifte am Boden. Und wieder die ses Geräusch. Es klang wie ein Stöhnen. Die Sage von der Fra u mit dem weißen Kleid fiel mir ein ! »Alles Quatsch«, sagte ich laut vor mich hin. »Schwachsinn ! Hendriks Gruselgeschichten, das Geschwätz alter Leute. «
    Dann wurde der dumpfe Ton lauter. Wieder dieses schleifend e Geräusch am Boden. Die Angst kroch den Rücken hinunter . Was sollte ich tun ? Unwillkürlich schob ich mich in Richtung Höhlenausgang . Draußen fiel die Dämmerung über das Meer. Nicht mehr lang e und es wurde dunkel. Eine schwachsinnige Idee, hierher z u kommen. Ich sollte so schnell wie möglich an den Strand, unte r Leute. Ich kroch nach vorne, um aus der Höhle zu klettern, al s ich einen Schrei hörte. Nein, eigentlich war es kein Schrei , mehr ein dumpfes Stöhnen . Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen. »Ist da jemand?« Ei n unterdrückter Laut, als antworte mir jemand . Dann wehte ein Windstoß das Geräusch weg . »Ist da jemand?«, wiederholte ich . Ja, die Antwort kam sofort – ein einziger Ton, lange und anhal tend . Ich nahm all meinen Mut zusammen und rutschte auf dem Bo den langsam nach hinten. Meine Hand tastete sich auf dem nas sen, glitschigen Untergrund vorwärts. Ich rechnete jeden Mo ment damit, dass etwas über meine Hand huschte, Spinnen di e Arme hochkrabbelten, eine Fledermaus, die sich panisch i n meinen Haaren verhedderte . Eine Taschenlampe, dachte ich, ich brauche Licht . Dann fiel mir etwas ein. Ich zog das Handy aus der Tasche, akti vierte das Display, das schwach in der Dunkelheit aufleuchtete . Besser als nichts. Auch wenn ich nicht wirklich etwas erkenne n konnte, allein der schwache Lichtschimmer machte mir Mut . Zentimeter für Zentimeter kroch ich weiter . Bis in der nächsten Sekunde meine Hand etwas berührte . Es fühlte sich weich an . Ich bildete mir ein, jemand murmele meinen Namen, sofer n man dies aus dem unterdrückten Stöhnen erkennen konnte .
    Eines jedoch wurde mir schlagartig klar: Vor mir lag ein Mensch. Entsetzt sprang ich auf. Mein Kopf stieß gegen die niedrige De cke der Höhle. Der Schmerz durchfuhr mich so heftig, dass ich vor Schreck das Handy fallen ließ. Es lag mit dem Display zur Seite und im schwachen Lichtschein konnte ich etwas glitzern sehen: Jamaicas Ohrring, den sie am Abschlussball getragen hatte. »Jamaica?« Meine Stimme zitterte. Ich brachte vor Panik kaum einen Ton heraus. Ein unterdrückter Schrei antwortete mir.

Nur fünf Minuten
    M ein Handy tastete Jamaica ab wie ein Scanner. Im spärlichen Licht erkannte ich immer mehr Einzelheiten: die zerrissene Strumpfhose, die schmutzige hellgraue Winterjacke, Pailletten, die sich vom Stoff gelöst hatten; dann ihre zusammengebunde ne Füße, gefesselte Hände und schließlich das Gesicht. Augen, die vor der lächerlichen Helligkeit erschraken, mich gleichzei tig entsetzt und erleichtert anstarrten. Jamaica bewegte sich nun unruhig und gab Geräusche von sich, die nicht länger wie ein Stöhnen klangen, sondern ungeduldig. Ich erkannte sofort, warum. Jemand hatte sie geknebelt! Ihr Mund war mit einem breiten Klebeband verschlossen. Mehr fach war es um ihren Kopf gewunden wie bei einer Mumie und trug die Aufschrift: Vorsicht, Glas. Mit zitternden kalten Fingern versuchte ich sie zu befreien, was nicht einfach war. Das Band klebte fest an der Haut und hatte sich im dichten Haar verfangen. Immer wenn ich daran riss, stöhnte Jamaica vor Schmerzen. Beruhigend sprach ich auf sie ein: »Ich weiß, es tut weh, aber es ist gleich vorbei. Halte noch ein wenig durch.« Ihre Antwort klang nicht gerade
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