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Dornröschengift

Dornröschengift

Titel: Dornröschengift
Autoren: Krystyna Kuhn
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vorbei, fest damit rechnend, dass der Fahrer links abbog. Doch ich täuschte mich. Der Wagen bremste scharf, als ich anhielt, um abzusteigen. Un geduldig wandte ich mich um und erkannte Mikes grünen VW-Käfer. Tom! Einige Minuten starrten wir uns gegenseitig durch die Wind schutzscheibe an. Nun, wenn er mit mir reden wollte, hatte er Pech. Ich jedenfalls hatte nicht das Bedürfnis. Entschlossen stieg ich wieder auf das Rad, während Tom den Motor ausschal tete und ausstieg. Laut knallend fiel die Wagentür ins Schloss, während er auf mich zukam. »Wohin willst du?«, fragte er bestimmt. Vielleicht hätte ich ihm sogar geantwortet, doch etwas an sei nem Gesichtsausdruck gefiel mir ganz und gar nicht. Er kniff die Augen merkwürdig zusammen. Sein Adamsapfel – eine kleine Kugel, die aufgeregt in seiner Kehle auf- und abtanzte. »Du spionierst mir also nach?«, flüsterte er und dieses Flüstern jagte mir Angst ein. Instinktiv wich ich zurück. Was war mit ihm? Was wollte er wirklich hier? Was spielte er nur für ein Spiel mit uns?
    »Ich«, zischte er nun, »ich bin Gast in eurem Haus. Du jedoch verrätst mich?« »Was willst du?«, schrie ich. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie eine Gruppe von Ausflüglern uns neugierig beobachtete, dann jedoch weiterging. »Nichts anderes als dein Bruder sein.« Ich fühlte mich einsam und schutzlos. »Ich habe nur einen Bruder«, erwiderte ich möglichst ruhig. »Mike.« »Bruder?«, lachte er spöttisch, ja geradezu höhnisch. »Deine El tern haben ihn adoptiert.« »Woher wusstest du das?« »Er selbst hat es mir erzählt. Bei seiner Ankunft war er total mit den Nerven fertig. Er hatte gerade von der Adoption erfahren und wollte so weit wie möglich weg von zu Hause. Wie gut, dass er mich traf. Ich habe ihm das Zimmer bei meiner Mutter besorgt. Wie froh er war, sich alles bei mir von der Seele reden zu können. Wirklich, er war ein psychisches Wrack, sagte im mer wieder: ›Wenn ich nicht einmal meinen eigenen Eltern ver trauen kann, wem dann?‹« Tom wechselte ins Englische, seine Worte waren hektisch und aufgeregt und ich hatte Mühe, ihn zu verstehen. »Er hat nur gejammert! Dass er doch immer nur so werden wollte wie sein angeblicher Vater – Medizin studie ren, die Praxis übernehmen und für immer hier leben.« »Er wollte zurückkommen«, widersprach ich heftig. »Nur wegen dir! ›Sofie soll es von mir selbst erfahren‹, hat er ständig gesagt. Mann, er war so ein Idiot! Er wollte nichts ge schenkt bekommen, auf eigenen Beinen stehen. Er hat nie er lebt, wie es ist, wenn man nichts geschenkt bekommt. Das war sein Problem! Er lebte in einem Schloss und beschwerte sich, weil er nicht wusste, wer seine richtigen Eltern waren.« Er lach te spöttisch. Seine Hände zitterten, als er sich an die Stirn griff.
    »Manchmal ist es besser, man kennt seine richtigen Elter n nicht. « »Er war kein Idiot, sondern … « Er unterbrach mich wütend auf Deutsch: »Wie sagt man? Da s Leben auf dem Silbertablett bekommen, von goldenen Löffel n essen. Das hat er gelernt, während meine Eltern… schon mei n Vater hat sich zu Tode gesoffen und meine Mutter ist nich t mehr weit entfernt davon. Sie verdient ihr Geld damit, bei an deren Leuten zu putzen und Zimmer an Ausländer zu vermie ten, die Abenteuer erleben wollen. Wie Mike! Er wollte auswan dern! Nach Australien! Möglichst weit weg, meinte er, ans an dere Ende der Welt! « Mike, warum hast du mir die Wahrheit nicht geschrieben? Wa rum hast du diesem Fremden mehr vertraut als deiner Schwes ter ? »Verstehst du eigentlich, was das bedeutet – coincidence, fate ? Zufall? Schicksal?«, fragte Tom plötzlich mit ruhiger, zu ruhige r Stimme . Ich schüttelte den Kopf . »Nein?« Er stockte kurz, holte Luft und stieß hervor: »Du lügst! « »Ich lüge nicht!«, widersprach ich heftig . »Sie hat es dir erzählt! « »Wer? « »Das Schloss hat einmal meiner Familie gehört. « Die Panik stieg in mir hoch. Sie kroch von den Zehenspitze n über die Beine nach oben, breitete sich über den ganzen Kör per aus, schnürte mir die Luft ab . Mike, hast du dich so gefühlt, als du kurz davor warst zu ertrin ken ? Meine Stimme krächzte, als ich fragte: »Welches Schloss? « »Euer Schloss. Ich habe die Urkunden gesehen. Es gehörte frü her der Familie Rosenthal. «
    Rosenthal? Wo hatte ich den Namen gehört ? In meinem Kopf arbeitete es fieberhaft . »Das war meine Familie.« Toms Zeigefinger stieß immer wiede r in seine Brust. »Ja, meine
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