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Dornentöchter

Dornentöchter

Titel: Dornentöchter
Autoren: Josephine Pennicott
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sich nicht mit Journalismus oder Ghostwriting für andere Leute zufriedengeben – und noch nicht einmal mit einem eigenen Roman. Aussaat, nicht wahr?« Sie lächelte über Sadies erstaunte Miene. »Ich versuche, auf dem Laufenden zu bleiben. Die Zeitungen aus Sydney sind hier teuer, aber ich kaufe die Spectrum und die Review wegen ihres Kulturteils. Ich halte Kevin Blaineys Rezension für unfair. Aussaat hatte vielleicht ein paar Schwächen, aber nichts im Vergleich zu seinen eigenen schrecklichen Büchern! Ich fand, in Ihrem Buch steckten einige interessante Gedanken und stilistisch wunderbare Stellen. All die Fehler eines Erstlingsromans, aber auch alle Wagnisse und Leidenschaft. O ja, in Ihren Adern fließt Pearls Blut, und natürlich wollen Sie ihre Geschichte erfahren.«
    »Wäre es eine große Zumutung für Sie, wenn ich Sie für einige Teile meines Buches interviewen würde?«, wollte Sadie wissen.
    »Ich fürchte, Sie werden feststellen, dass ich dem, was ich schon geschrieben habe, nur wenig hinzufügen kann«, antwortete Birdie knapp.
    »Die Zeit verändert die Erinnerung«, gab Sadie sanft zu bedenken. »Vielleicht gibt es Fragmente, bei denen Sie in Netzespinnerin gezögert haben, sie zu veröffentlichen, aber die Sie im Rückblick vielleicht doch festgehalten haben wollen.«
    »Vielleicht«, entgegnete Birdie. »Aber woher wollen Sie wissen, ob Sie diese Teile der Geschichte überhaupt hören wollen und ob sie Ihnen gefallen?«
    »Ich will nur die Wahrheit.«
    Birdie lächelte wissend. »Das glauben Sie vielleicht, aber meiner Erfahrung nach können die Menschen die Wahrheit nur selten wertschätzen. Es gab Dinge, die ich in Netzespinnerin ausgelassen habe, aus Respekt Pearl und ihrer Familie gegenüber. Die Zeiten haben sich geändert und der moderne Trend, der mir gar nicht gefällt, geht dahin, jedermanns schmutzige Wäsche zu waschen.« Sie warf Betty einen Blick zu und beschloss dann offenbar, die Unterhaltung nicht fortzusetzen. »Ich will Sie nicht aufhalten, aber falls Sie abends mal vorbeikommen und mich besuchen mögen, sind Sie herzlich willkommen. Ich gehe mittlerweile früh zu Bett, deshalb würde ich es schätzen, wenn es nicht später als sieben wäre. Nehmen Sie sich doch von meinem Seidelbast mit, bevor Sie gehen.«
    »Sehen Sie nur, die Zaunkönige!«, fügte sie hinzu und zeigte in den Himmel, doch Sadie konnte nichts sehen. »Die Vogelwelt von Pencubitt war schon immer eine der großen Freuden meines Lebens«, fuhr Birdie fort. »Man kann von Vögeln so viel lernen, und wir haben hier eine solch wunderbare Vielfalt: Mauerschwalben, Tölpel, Möwen, Sturmtaucher, Falken, Papageien. Einer der Vorteile, zu meiner Zeit aufzuwachsen, war, dass es keine Fernseher und keine Computer gab – deshalb waren wir viel mehr draußen in der Natur. Von klein auf waren die Vögel, die Bäume und das Meer meine Freunde.« Sie lächelte Betty an. »Ich klinge genau wie eine alte Frau, die ich ja auch bin. Die Zeiten haben sich gewandelt, aber ich habe mich nicht geändert und werde es nie tun. Vergessen Sie nicht, ein paar Blumen mitzunehmen, meine Liebe.«
    Als Betty und sie davonspazierten, spürte Sadie Birdies stechenden Blick im Rücken.
    Im Gegensatz zu den niedlichen, schrulligen Cafés im Zentrum gab es in der Nähe des Stadtparks eine einsame, ziemlich auffällige Fish-and-Chips-Bude, auf deren Dach eine riesige Garnele thronte. Ganz offensichtlich war es bei den Einheimischen der beliebteste Fastfoodladen: Schulkinder in den weinrot-grauen Uniformen der Pencubitt-Grundschule nippten draußen an Milchshakes, während ihre Mütter mit Freundinnen plauderten und Kartons mit paniertem Fisch und Pommes an die Brust drückten. Sadie und Betty gingen hinein, um sich ein Mittagessen zu bestellen, das sie dann auf den Docks nahe des Dorfparks verzehrten und dabei den Fischern zusahen, die ihren Tagesfang ausluden. Auf der anderen Seite der Bucht bildeten leuchtende smaragdgrüne Hügel einen perfekten Farbkontrast zum kalten Graublau des Meeres. Möwen und Kiebitze segelten in der Hoffnung auf ein Stück Fisch durch die Luft. Ein paar Touristen spazierten vorbei oder blieben stehen, um das Meer und das Denkmal auf dem Rasenplatz zu fotografieren. Ein Pärchen, das seinen Hund spazieren führte, rief Sadie und Betty einen Gruß zu. Sadie nahm an, dass sie bereits wussten, wer sie war. Auf einmal sah sie sich und ihre Tochter durch deren Augen: Sadie mit ihren kurz geschnittenen dunklen Haaren, dem
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