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Doppelgänger

Doppelgänger

Titel: Doppelgänger
Autoren: John Brunner
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sie so intensiv an, dass sie unsicher wurde.
    »Ist etwas?« fragte sie schließlich.
    »Nein. Nichts. Ich habe nur gedacht, kein Mensch würde es für möglich halten, dass du den Doktor in Biologie hast.«
     
    »Alter Schmeichler. Aber ich finde es nett, wenn du so etwas sagst.« Netta ließ sich in einen Sessel fallen und sah ihn an. »Und wer waren diese jungen Leute, die du getroffen hast?«
    »Erinnerst du dich an den Song über den Sporttaucher, der einem Delphin begegnet? In letzter Zeit haben sie ihn oft im Radio gespielt. Ich habe die Gruppe getroffen, die ihn gemacht hat, und ihre Freundinnen, in dem ausgefallensten Wagen, den du dir vorstellen kannst: angemalt wie ein schizophrener Dschungel.«
    »Was, um alles in der Welt, wollen die ausgerechnet hier?« fragte Netta. »Wie waren sie?«
    »Oh, sie schienen recht umgänglich. Sie suchten nach einem Stück Strand zwischen den Kreidefelsen, um dort ein Openair-Freakout zu veranstalten, wie sie es nannten.«
    »Oh, das klingt lustig!« rief Netta. »Können wir auch hingehen?«
    »Ich denke schon.« Tom reichte ihr den Drink, den er ihr gemacht hatte. »Aber ich glaube nicht, dass sie es schaffen werden. Der einzige Ort, an den ich mich erinnern konnte und auf den ihre Beschreibung zutrifft, liegt ein Stück westlich von hier; wo diese komische, alte Frau ganz allein in dem halb abgebrannten Haus wohnt – weißt du, was ich meine?«
    »Oh, ja! Miss …« Netta zögerte. »Miss Beeding – heißt sie nicht so?«
    »So ungefähr«, sagte Tom. »Ich habe keine Ahnung, ob das Land ihr gehört, aber es muss wohl so sein, sonst würde sie wahrscheinlich nicht dort wohnen dürfen.« Er ließ sich seufzend in seinen Sessel fallen. »Ich wünsche ihnen aber, dass sie es irgendwie arrangieren können. Es wäre eine Abwechslung in dieser gottverlassenen Gegend – und die brauche ich dringend!«
    »Du hast einen schlechten Tag gehabt, nicht wahr?« sagte Netta mitfühlend.
    »Ich wünschte, ich wäre ein hübsches Mädchen wie du«, murmelte Tom. »Du brauchst nur beim Boss mit den Hüften zu wackeln, und er zerschmilzt wie eine Qualle auf dem Strand und gibt nach. Ich, ich muss mich jeden Tag mit ihm auseinandersetzen, und Doc Innes ist für Logik nicht sehr zugänglich.«
    »Schatz, es geht nicht um ihn – seien wir doch ganz ehrlich.« Netta beugte sich vor. »Der Mann, den du meinst, ist Sam Fletcher, und wenn du mich beschuldigst, bei ihm mit den Hüften zu wackeln, dann … dann kippe ich dir den Drink ins Gesicht! Bei dem brauche ich es nicht zu tun. Im Gegenteil, ich versuche, es zu vermeiden!«
    »Hat der Bastard dich schon wieder belästigt?« fragte Tom scharf.
    »Oh – nicht mehr als sonst. Und wahrscheinlich kann er nicht einmal etwas dafür. Er ist so schleimig, dass ihn kein Mädchen will, vermute ich.«
    Tom stand auf und trat zum Fenster, das auf die kleine Bucht hinausführte, an der die Forschungsstation lag. Ihr Bungalow war ursprünglich für den Hausmeister vorgesehen gewesen und nicht für Mitglieder des Forschungsteams, doch irgendeinem sparsamen Beamten im Ministerium für Landwirtschaft und Fischerei war aufgefallen, dass ein Ehepaar sich um die beiden durch Beförderungen freigewordenen Stellen bewarb, und er hatte sofort die Möglichkeit erkannt, das Wohngeld für die beiden neuen Mitglieder des Forschungsteams einzusparen. Tom hatte nichts dagegen einzuwenden gehabt – freie Wohnung bedeutete, dass ihr Gehalt viel höher war, als er angenommen hatte –, aber dadurch wurden ihre Abende recht einsam, da niemand sonst hier am Seeufer wohnte. Außerdem war der Bungalow zu klein, um eine Familie gründen zu können, wie sie es geplant hatten; es gab keine Zimmer für ein Kind. Das musste also warten, bis er die nächste Gehaltserhöhung bekam, etwa in einem Jahr.
    Aber die Lage des Hauses war wirklich schön, es bot einen weiten Ausblick auf die See westlich der Themsemündung. Wenn er nach rechts blickte, sah er die einstöckigen Gebäude, die die Forschungsstation bildeten: Laboratorien, Brutanlagen, Verwaltungsgebäude, und, als letzte Errungenschaft, die er gegenüber Bruno und seinen Begleitern erwähnt hatte: das beheizbare Becken, in dem sie wenigstens ein Delphin-Paar heimisch zu machen und zu Fisch-Hirten abzurichten hofften. Jetzt war es noch ziemlich unansehnlich; nicht einmal der heftige Regen des frühen Nachmittags hatte die tief ausgefahrenen Rillen fortwaschen können, die die schweren Baufahrzeuge zurückgelassen hatten.
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