Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Donovans Gehirn

Donovans Gehirn

Titel: Donovans Gehirn
Autoren: Curd Siodmak
Vom Netzwerk:
Funktionen des Lebens nötig ist. Ich lebte zurückgezogen. Niemand fragte mich, was ich täte. Die Wüste ist voll von Einsiedlern und einsamen Menschen mit seltsamen Gewohnheiten.
    Ich schickte die Männer fort, dann zog ich ein reines Hemd an, das Janice ins Laboratorium gelegt hatte. Auf dem Schreibtisch fand ich eisgekühlten Kaffee und etwas zu essen. Sie wartete schweigend in ihrem Zimmer, daß ich sie rufen sollte. Das Unglück hatte das eintönige Gleichmaß unserer Tage unterbrochen, und nun hoffte sie wohl, ich würde mit ihr sprechen wollen.
    Ich untersuchte den Sterbenden. Sein Puls war ungeheuer schnell, die Herztöne waren so schwach, daß ich sie kaum mit dem Stethoskop hören konnte.
    Ich rief Janice. »Wo ist Schratt?« fragte ich. Ich merkte, daß sie nicht geschlafen, sondern auf meine Rückkehr gewartet hatte.
    »Er hat den anderen Verunglückten nach Phoenix gebracht«, erwiderte sie.
    »Rufe im Hospital an und sage ihm, er möchte sofort herkommen. Und dann komm und hilf mir.«
    Sie rannte aus dem Zimmer, um meinem Befehl zu gehorchen.
    Ich mußte zu einer Entscheidung gelangen. Ich mußte mich jetzt entschließen. Sofort! Ehe es zu spät war! Ich fühlte mich durchaus nicht mehr erschöpft. Eine solche Gelegenheit hatte es noch nie gegeben. Sie war ungeheuerlich. Dieser Mann lag im Sterben, aber sein Hirn lebte noch. Es war ein außergewöhnliches Hirn, die Wölbung war groß und vollkommen geformt, die Hirnschale breit, die Stirn mächtig.
    Ich versuchte mit dem Enzephalographen die Reaktionen. Er wies starke Delta-Abweichungen auf.
    Das Hirn eines Tiers hat schwache Reaktionen und wenig Widerstandsfähigkeit. Ein Tier gibt auf, wenn es sterben muß. Das Hirn ist ein minderes Organ seines Körpers, weniger wichtig als seine Verteidigungswerkzeuge. Doch der Mann auf meinem Tisch hatte sein ganzes Leben lang sein Hirn geübt, trainiert, stark gemacht. Hier war das vollkommene Hirn, wie es sich ein Wissenschaftler wünschen konnte!
    Wenn Schratt nur hier wäre!
    Donovans Schädel war fast haarlos. Das machte es leichter. Er war in einem Koma; dadurch wurde die Anästhesie unnötig.
    Ich schaltete den Sterilisator ein und legte ein chirurgisches Skalpell und eine Gigli-Säge hinein.
    Als die Instrumente fertig waren, holte ich das Skalpell heraus und machte einen halbkreisförmigen Einschnitt in die Haut, genau über dem rechten Ohr. Ich führte den Einschnitt weiter um den Hinterkopf bis zur oberen Kante des linken Ohrs. Ich zog das Skalpell vorwärts, bis es den obersten Teil des Schädels völlig entblößte. Es gab nur ganz geringe Blutungen der freigelegten Oberflächen.
    Dann nahm ich die Gigli-Säge und machte einen Einschnitt in das Knochengewölbe, ganz um den Schädel herum. Um das Hirn nicht zu verletzen, gab ich sehr acht, die Dura Mater nicht zu durchschneiden. Dann hob ich den ganzen oberen Teil der Schädelwölbung ›in toto‹ ab.
    Die glänzende Oberfläche der harten äußeren Hirnhaut war noch warm, als mein Finger sie berührte.
    Ich machte den halbkreisförmigen Einschnitt wie in die äußere Haut.
    Dann zog ich die Hirnhaut vorwärts, und da lag Donovans Hirn vor meinem Blick!
    Donovan hörte auf zu atmen. Weiße Asphyxie setzte ein – infolge des Aussetzens der Herztätigkeit. Ich hatte keine Zeit, Stimulantien anzuwenden. Das hätte unersetzliche Minuten gekostet. Ich mußte sein Hirn öffnen, solange er noch lebte. Ich hatte bei dem Affen diesen Fehler gemacht und konnte ihn nicht noch einmal riskieren.
    Ich hörte, wie Janice mit Phoenix telefonierte. Schratt war auf dem Heimweg. Sie wiederholte den Bescheid so laut, daß ich ihn hören konnte.
    Wenn bloß Schratts Ford nicht zusammenbrach!
    Janice kam herein. Sie blieb stehen, als sie mich an dem Körper arbeiten sah. Sie hatte Medizin studiert, mir zuliebe und um die Möglichkeit zu haben, mir näher zu sein. Sie war eine ideale Helferin – kühl, konzentriert, präzis selbst in den gefährlichsten Augenblicken. Doch wie Schratt haßte sie die Arbeit, die ich tat, denn sie zog mich von ihr weg, und sie war eifersüchtig. Ich war mit meinen Geräten und meinen Seziermessern verheiratet.
    »Die Gigli-Säge! Rasch!« sagte ich. Ich streckte die Hand aus, ohne Janice anzusehen. Sie stand noch im Türrahmen, und nun zögerte sie. Dann hörte ich, wie sie sich bewegte. Sie trat dicht hinter meine Schulter und reichte mir das Instrument. Ich preßte die Gigli-Säge an das Hinterhauptbein. Meine Arbeit nahm mich so
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher