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Donovans Gehirn

Donovans Gehirn

Titel: Donovans Gehirn
Autoren: Curd Siodmak
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Hirn ist vielleicht noch imstande, Schmerzen zu fühlen! Es könnte leiden, obwohl es körperlos und augenlos, jeden Organs beraubt ist, das sein Gefühl ausdrücken kann. Es kann sich vielleicht in Qualen winden.«
    »Wir wissen, daß das Hirn selbst fühllos ist«, antwortete ich ruhig. Und um ihm entgegenzukommen, fügte ich hinzu: »Zum mindesten glauben wir es zu wissen!«
    »Da sagen Sie es selbst in kurzen Worten«, antwortete Schratt. Ich merkte, daß er zitterte; der Erfolg meines Experimentes hatte ihn erschüttert. »Sie glauben, Sie erkennen das an, was Sie sehen und messen können. Sie gehen leichtfertig an Ihre Entdeckungen, ohne jeden Gedanken an die Folgen.« Diese Ansicht hatte er mir gegenüber schon öfters ausgesprochen.
    »Ich versuche nur, lebendige Gewebe außerhalb des Körpers am Leben zu erhalten«, erwiderte ich geduldig. »Trotz Ihres Abscheus gegen alles, was einen wissenschaftlichen Fortschritt bedeutet, müssen Sie zugeben, daß mein Experiment ein Riesenschritt vorwärts ist! Sie sagten mir, die Fragilität der Nervensubstanz sei zu groß, um in lebendem Zustande studiert zu werden. Nun, ich habe es fertiggebracht.«
    Ich berührte das Glas, in dem das Hirn des Affen war, und der Enzephalograph registrierte sofort die Reaktion der gestörten Gewebe.
    Ich beobachtete Schratt sehr genau. Ich wollte wieder den Blitzstrahl des Genies aufzucken sehen, der meine Forschungen fruchtbar machte. Aber Schratts Gesicht blieb kalt und ablehnend.
    »Sie sind synthetisch und eng«, sagte er endlich unglücklich. »In Ihnen ist keine menschliche Regung mehr. Ihre Leidenschaft für Beobachtungen und Ihre mathematische Genauigkeit haben Sie getötet, Patrick. Ihre Intelligenz ist verkrüppelt – durch eine tiefe Unfähigkeit, das Leben zu verstehen. Ich bin überzeugt, daß das Leben eine Synthese von Liebe und Haß ist, von Ehrgeiz und Planlosigkeit, von Eitelkeit und Güte. Wenn Sie einmal in Ihren Versuchsröhren Güte herstellen können, werde ich wiederkommen.«
    Langsam und wie verloren schritt er zur Tür, wie immer, wenn er sich entschlossen hatte, mit mir zu brechen. Doch auf der Schwelle wandte er sich um und sagte mit zitternder Stimme: »Tun Sie mir eins zuliebe, Patrick: Schalten Sie die Pumpe ab. Lassen Sie das arme Ding da drinnen sterben!«
     

Sechzehnter September
     
    Gegen Mitternacht hörten die Ausschläge des Enzephalographen auf, und das Hirn des Affen starb.
    Um drei Uhr morgens läutete das Telefon im Wohnzimmer – ich arbeitete noch im Laboratorium. Ich hörte die Glocke wieder und wieder leise schrillen. Janice war vor Stunden zu Bett gegangen, nachdem sie mir auf einem Tablett etwas zu essen gebracht hatte. Offenbar hatte sie ein Schlafmittel genommen, sonst hätte das andauernde Klingeln sie geweckt. Franklin, der hinten in einer Hütte schlief, würde bestimmt nicht aufstehen.
    So nahm ich endlich den Hörer ab; Lichtwart White sprach mit aufgeregter Stimme. Ein Flugzeug war in der Nähe seiner Station abgestürzt.
    »Ich kann Konapah nicht erreichen!« White schrie, als müßte er ohne Telefon über die ganze Entfernung mit mir sprechen. »Der alte Doktor Schratt ist wieder betrunken.«
    Er fing an zu fluchen, denn er war ganz außer sich – so allein in seinem Blockhaus auf dem Berggipfel, gute acht Meilen vom nächsten Haus, und dicht dabei ein abgestürztes Flugzeug.
    Er hatte zehn Minuten lang versucht, Schratt anzurufen, ehe er meine Nummer wählte. Er hatte nur die beiden Linien, auf denen er sprechen konnte – Schratts und meine. Der Telefonist ließ diese Verbindungen die ganze Nacht offen – falls ein Unfall passieren sollte.
    Ich beruhigte White und versprach ihm rasche Hilfe.
    Endlich bekam ich Schratt ans Telefon. Er konnte kaum sprechen, ja, kaum verstehen, was ich zu ihm sagte. Ich mußte die Nachricht ein paarmal wiederholen.
    »Ich kann nicht bis dort hinauf!« winselte er, als meine Worte in sein alkoholbenommenes Hirn eingedrungen waren. »Ich kann nicht. Ich bin ein alter Mann. Ich kann nicht stundenlang auf dem Pferde sitzen. Mein Herz ist nicht in Ordnung.«
    Er hatte Todesangst, seinen Posten zu verlieren, aber der Alkohol hatte ihn gelähmt.
    »Nun gut, ich werde es für Sie übernehmen«, sagte ich. »Kommen Sie heute abend zu mir herüber.«
    »Heute abend – zu Ihnen, Patrick«, wiederholte er kläglich. »Dank, Patrick, tausend Dank!«
    Franklin aus dem Schlaf zu wecken, war keine leichte Aufgabe. Ich befahl ihm, die Nachbarn zu holen,
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