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Dolph Heyliger (German Edition)

Dolph Heyliger (German Edition)

Titel: Dolph Heyliger (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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vollen Springen aus dem Hause; aber der Anblick eines fremden jungen Mannes mit ihrem Vater rief für einen Augenblick alle Schamhaftigkeit, wie sie den Mädchen angeboren ist, hervor. Dolph sah sie mit Bewunderung und Vergnügen an; niemals meinte er eine so anständige weibliche Gestalt gesehen zu haben. Sie war in gutem alten holländischen Geschmack gekleidet, mit langer Schnürbrust und vollem kurzen Kleide, das so gut stand, daß es die ganze weibliche Form in schönstem Lichte zeigte. Ihr Haar, unter eine kleine runde Mütze gewunden, ließ die Schönheit ihrer Stirne bewundern; sie hatte schöne, blaue, lächelnde Augen und einen schlanken, sanft gewölbten Leib – mit Einem Worte, sie war eine kleine holländische Gottheit. Dolph, der nie bei einer Sache auf halbem Wege stehen blieb, verliebte sich sterblich in sie.
    Dolph wurde in dem Hause mit freundlichem Willkommen aufgenommen. Das Innere gab eine Anschauung von Herrn Antons Geschmack und Gewohnheiten, sowie von dem Reichthum seiner Vorfahren. Die Zimmer waren mit guten alten Mahagonymöbeln verziert, die Schenktische und Schränke glänzten von erhaben gearbeitetem Silber und gemaltem Porzellan. Ueber dem Kamin des Visitenzimmers befanden sich, wie gewöhnlich, die Wappenschilde der Familie gemalt und eingerahmt; darüber eine lange Vogelflinte mit einer indianischen Tasche und ein Pulverhorn. Das Zimmer war mit vielen indianischen Gegenständen verziert: Friedenspfeifen, Tomahawks, Skalpirmessern, Jagdtaschen und Wampumgürteln; auch lagen verschiedene Arten von Fischgeräthe und zwei oder drei Instrumente zum Vogelfang in den Winkeln. Die Hausangelegenheiten schienen einigermaßen nach dem Willen des Herrn geleitet zu werden, dem hier und da einige kleine ruhige Eingriffe der Tochter nachhalfen. Das Ganze trug den Stempel eines hohen Grades patriarchalischer Einfachheit und gutmüthiger Nachsicht. Die Schwarzen kamen ungerufen in das Zimmer, blos um nach ihrem Herrn zu sehen und seine Abenteuer zu vernehmen; sie standen lauschend an der Thüre, bis er eine Geschichte beendigt hatte, und gingen dann grinsend weg, um sie in der Küche zu erzählen. Ein paar schöne Negerkinder spielten auf dem Fußboden mit den Hunden und theilten ihr Butterbrod mit ihnen. Alles Hausgesinde sah vergnügt und glücklich aus, und wenn der Tisch zum Abendessen gedeckt wurde, gab die Mannigfaltigkeit und der Ueberfluß der guten häuslichen Speisen von der Freigebigkeit des Herrn und der ausgezeichneten Wirtschaftlichkeit der Tochter Zeugniß. Am Abend kamen verschiedene der ausgezeichnetsten Männer des Ortes, die van Rensellaers, die Gonsovoorts, die Rosebooms, und andere von Anton van der Heydens intimen Freunden, um von seinem Unternehmen erzählen zu hören, denn er war der Sindbad von Albany, und seine Thaten und Abenteuer gehörten zu den Lieblingsgegenständen der Unterhaltung unter den Einwohnern. Während diese zusammen an der Thüre des Vorsaals saßen und sich im Zwielicht lange Geschichten erzählten, saß Dolph traulich auf einer Bank am Fenster und unterhielt sich mit der Tochter. Er war schon auf einen vertrauten Ton mit ihr gekommen, denn zu falscher Zurückhaltung und eitlen Ceremonien war das keine Zeit; übrigens liegt etwas außerordentlich Günstiges für einen Liebhaber in dem angenehmen Dunkel einer Sommernacht; sie giebt der furchtsamsten Zunge Muth und verhüllt die Schamröthe des Blöden. Die Sterne am Himmel blickten herrlich, und hier und da goß ein Leuchtkäfer sein vorübergehendes Licht vor dem Fenster aus, oder flog in das Zimmer und erhob sich glühend zur Decke.
    Was Dolph Alles an diesem langen Sommerabend in ihr Ohr flüsterte, ist schwer zu sagen; seine Worte waren so leise und unbestimmt, daß sie nie das Ohr des Geschichtschreibers erreichten. Wahrscheinlich ist es indessen, daß sie nicht zwecklos waren, denn er besaß ein natürliches Talent, den Frauen zu gefallen, und war nie lange in Gesellschaft mit einer ihres Geschlechts, ohne ihr besonders die Cour zu machen.
    Währenddem zog der Besuch nach und nach ab. Anton van der Heyden, der sich ganz müde gesprochen hatte, saß nickend allein in seinem Stuhl bei der Thüre, als er plötzlich durch einen herzlichen Kuß ermuntert wurde, mit welchem Dolph unvorsichtiger Weise eine seiner Perioden abgeschlossen hatte, und der durch das stille Zimmer wie ein Pistolenschuß schallte. Der Herr stand auf, rieb sich die Augen, rief nach Licht und bemerkte, daß es hohe Zeit sei, zu Bette zu
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