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Dolph Heyliger (German Edition)

Dolph Heyliger (German Edition)

Titel: Dolph Heyliger (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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hatte. Er war das Kind ihres Alters, aber kaum ein Trost für sie, denn unter allen bösen Buben war Dolph Heyliger der muthwilligste. Nicht daß der Bursche wirklich lasterhaft gewesen wäre, er war nur voll Muthwillen und Scherz und hatte einen kühnen, aufgeweckten Geist, der bei reicher Leute Kind gepriesen, bei Armen verwünscht wird. Er war immer in Händel verwickelt, seine Mutter unaufhörlich von Klagen über muthwillige Streiche gequält, die er hatte ausgehen lassen; es wurden Rechnungen für Fenster geschickt, die er zerbrochen hatte; mit einem Worte, er hatte noch nicht sein vierzehntes Jahr erreicht, als die ganze Nachbarschaft von ihm sagte, er sei ein gottloser Bube, der gottloseste in der ganzen Straße. Ja, ein alter Herr in einem dunkeln Rock, mit einem schmalen rothen Gesicht ging so weit, daß er Frau Heyliger versicherte, ihr Sohn würde früher oder später an den Galgen kommen.
    Diesem allen ohngeachtet liebte die arme Seele doch ihren Knaben. Es schien, als ob sie ihn um so mehr liebte, je schlimmer er wurde, und als ob er um so höher in ihrer Gunst stieg, je mehr er in der Gunst der Welt verlor. Mütter sind närrische, thörichte Wesen, nichts kann ihre Thorheiten wegraisonniren. Und in der That, die Liebe zu ihrem Kinde war Alles, was dem armen Weibe in dieser Welt geblieben war; wir dürfen uns deßhalb nicht wundern, daß sie für ihre guten Freunde, welche ihr zu beweisen suchten, daß Dolph der Strick erwarte, nur taube Ohren hatte.
    Doch muß man auch dem kleinen Spitzbuben Gerechtigkeit widerfahren lassen. Er hing sehr an seiner Mutter; mit Wissen verursachte er ihr niemals Kummer, und wenn er Unrecht gethan hatte, und er sah, wie sich die Augen seiner armen Mutter ernst und sorgenvoll auf ihn hefteten, so erfüllte dieß sein Herz mit Gram und Reue. Aber er war ein unbedachtsamer junger Bursche, der nicht um die Welt einer Versuchung zu Scherz und Possen widerstehen konnte. Obgleich fähig zum Lernen, wenn er selbst dazu aufgelegt war, war er dabei doch immer geneigt, sich durch faule Kameraden verführen zu lassen, herumzulungern, Vogelnester zu suchen, Obstgärten zu berauben oder in dem Hudson zu schwimmen.
    Auf diese Weise wuchs er auf, ein langer, lümmelhafter Bursche, und seine Mutter war sehr in Verlegenheit, was sie mit ihm machen, oder wie sie ihn auf einen Weg leiten sollte, für sich selbst zu sorgen, denn er stand in so einem schlechten Ruf, daß ihn niemand anstellen wollte.
    Sie hielt manche Berathungen mit Peter de Groodt, dem Todtengräber und Küster, der ihr erster Geheimerath war. Peter war in keiner geringeren Verlegenheit als sie selbst, denn er hatte keine große Meinung von dem Burschen und glaubte, es würde nie etwas Gutes aus ihm werden. Einmal hatte er ihr gerathen, ihn zur See zu schicken – ein Rath, der nur in den verzweifeltsten Fällen gegeben wird. Aber Frau Heyliger wollte von einem solchen Gedanken nichts hören; sie konnte es nicht für möglich halten, Dolph aus ihren Augen zu lassen. Eines Tages saß sie in großer Verlegenheit strickend am Kamin, da trat der Küster mit einem Gesicht von ungewöhnlicher Lebhaftigkeit und Heiterkeit ein. Er kam gerade von einem Leichenbegängnis. Es war das eines Knaben von Dolphs Alter, der Lehrling bei einem berühmten deutschen Doktor gewesen und an der Lungensucht gestorben war. Wahr ist es, es ging ein Geflüster, daß der Verstorbene ein Opfer der mit ihm von dem Doktor angestellten Experimente geworden sei; er versuchte nämlich die Wirkungen einer neuen Mischung oder einer beruhigenden Arznei.
    Wahrscheinlich aber war dieß ein bloßes Gerede, das Peter de Groodt nicht der Erwähnung werth hielt, obgleich, wenn wir Zeit zu philosophiren hätten, es ein eigener Gegenstand des Nachdenkens sein würde, warum die Familie eines Doktors so mager und leichenartig ist und die eines Fleischers so wohlbeleibt und roth.
    Wie ich schon sagte, betrat Peter de Groodt das Haus der Frau Heyliger mit ungewöhnlicher Heiterkeit. Es war ihm während des Leichenbegängnisses ein Gedanke in den Kopf gekommen, über den er heimlich lachte, als er die Erde in das Grab von des Doktors Schüler schaufelte. Es fiel ihm ein, daß jetzt die Stelle des Verstorbenen bei dem Doktor erledigt war, und daß sie ganz für Dolph geeignet sei. Der Junge hatte Fähigkeiten, konnte eine Mörserkeule handhaben und eine Bestellung trotz einem Buben in der Stadt machen; was brauchte es mehr für einen Schüler?
    Der Vorschlag des klugen
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