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Dolph Heyliger (German Edition)

Dolph Heyliger (German Edition)

Titel: Dolph Heyliger (German Edition)
Autoren: Washington Irving
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Kourierstiefeln, die ihm bis über die Kniee reichten, und mit einem aufgekrämpten Hut, der bis über die Stirne herab schlappte. Da er ein kurzer, fetter Mann war, so kostete es einige Zeit, ehe er in den Sattel kam, und wenn es so weit war, so brauchte er wieder einige Zeit, den Sattel und die Steigbügel gehörig in Ordnung zu bringen, was Alles die Bewunderung der Straßenjungen erregte. Wenn er sich aufgesetzt hatte, hielt er in der Mitte der Straße still oder trottirte zwei-oder dreimal zurück, um noch einige Befehle zu ertheilen, worauf die Haushälterin von der Thüre, oder Dolph aus dem Studirzimmer, oder die schwarze Köchin aus dem Keller, oder das Stubenmädchen aus dem Dachfenster antwortete. Gewöhnlich wurden ihm zu guter Letzt noch einige Worte nachgerufen, gerade wenn er um die Ecke bog.
    Die ganze Nachbarschaft wurde durch dieses Gepränge und diese Umstände in Bewegung gesetzt. Der Schuhflicker verließ seinen Leisten, der Haarkräusler ließ sein frisirtes Haupt mit dem Kamm darin aus der Hand; eine Menge Menschen sammelte sich an des Gewürzkrämers Thüre, und man hörte die Worte von einem Ende der Straße zum andern murmeln: »Der Doktor reitet auf sein Landgut.«
    Das waren goldene Augenblicke für Dolph. Kaum war der Doktor aus dem Gesicht, so ruhten Mörser und Mörserkeule, er kehrte dem Laboratorium den Rücken, um für sich selbst zu sorgen, und der Student trieb tolle Streiche.
    In der That, man muß gestehen, der junge Bursche, wie er so aufwuchs, war auf dem besten Wege, die Voraussagung des alten kupferigen Herrn zu erfüllen. Er war der Rädelsführer aller Feiertagsspäße und mitternächtlichen Streiche, bereit zu allen Arten von muthwilligen Possen und albernen Abenteuern.
    Es giebt nichts Lästigeres als einen Helden von einem kleinen Maßstab oder vielmehr einen Helden in einer kleinen Stadt. Dolph wurde bald der Abscheu aller trägen, alten Bürger, die alles Geräusch haßten und keinen Gefallen am Spaß fanden. Die guten Frauen aber hielten ihn für nicht viel besser als einen ruchlosen Menschen, nahmen, wie die Bruthennen, ihre Töchter unter ihren Schutz, wenn er sich nur blicken ließ, und zeigten ihn ihren Söhnen zur Warnung. Niemand schien ihn viel zu achten, mit Ausnahme der wilden Gesellen des Ortes, die sein offenherziges kühnes Benehmen für ihn einnahm, und der Neger, die immer auf jeden müßigen Taugenichts schauen, als wäre es ein Gentleman. Auch der gute Peter de Groodt, der sich gewissermaßen als einen Patron des Burschen betrachtete, fing an, an ihm zu verzweifeln und schüttelte zweifelhaft den Kopf, als er eine lange Litanei der Haushälterin anhörte und dabei ein Glas von ihrem Himbeerliqueur schlürfte.
    Nur seine Mutter ließ trotz aller Verkehrtheit ihres Jungen nicht von ihrer Zuneigung, und ließ sich durch die Erzählungen seiner bösen Streiche, mit welchen ihre guten Freunde sie unablässig regalirten, nicht irre machen. Sie genoß in der That sehr wenig von dem Vergnügen, dessen sich reiche Leute erfreuen, wenn sie ihre Kinder immer loben hören; aber sie betrachtete alle diese üble Nachrede als eine Art von Verfolgung, die er erdulden mußte, und liebte ihn nur um so mehr. Sie sah ihn aufwachsen als einen schönen, schlanken, gut aussehenden Burschen und betrachtete ihn mit dem geheimen Stolz eines mütterlichen Herzens. Es war ihr großer Wunsch, daß Dolph wie ein Gentleman erscheinen sollte, und alles Geld, das sie erübrigen konnte, verwendete sie darauf, seiner Tasche und seiner Garderobe aufzuhelfen. Sie sah nach ihm aus dem Fenster, wenn er in seinem besten Anzug vorbeiging, und das Herz lachte ihr im Leibe. Einmal, als Peter de Groodt an einem schönen Sonntagsmorgen überrascht von seiner netten Erscheinung bemerkte: »Ja, das muß man sagen, Dolph wird ein hübscher Junge!« traten der Mutter die Thränen in die Augen. »Ach, Nachbar, Nachbar«, rief sie: »sie mögen sagen, was sie wollen, der arme Dolph wird noch seinen Kopf so hoch tragen wie die Besten unter seines Gleichen.«
    Dolph Heyliger hatte jetzt fast das einundzwanzigste Jahr erreicht, und der Termin seines medicinischen Studiums ging gerade zu Ende; indessen muß man gestehen, daß er von seinem Fache wenig mehr verstand, als damals, wo er zuerst des Doktors Thüre betrat. Dieß entsprang indessen nicht aus Mangel an Verstand, denn er bewies ungewöhnliche Fähigkeiten, sich anderer Zweige des Wissens zu bemeistern, die er nur in Zwischenzeiten studirt haben
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