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Dollbohrer!

Dollbohrer!

Titel: Dollbohrer!
Autoren: Hendrik Nachtsheim
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kratzte, machte Michael es sich jetzt auf seinem großen Badetuch bequem.
    Niemand, bis auf diesen dicken ungarischen Austauschbademeister, der gerade in einem durch die Stadt rasenden Krankenwagen reanimiert wurde, hätte auch nur ansatzweise geahnt, dass fünf alte, weißhäutige Männer, von denen der im Liegestuhl der Chef war, das Freibad in Bad Soden dermaßen fest im Griff hatten! Das hier war ihr Bereich, und zwar seit Jahrzehnten! Und niemand würde sie je daran hindern, ihn so zu regieren, wie sie das wollten. Und wenn doch, dann gab es ja noch die Sache mit den Angeboten …

Moby Dick
    Was für eine Sensation! Nicht nur, dass der weltberühmte Roman um den riesigen weißen Wal Moby Dick und den ihn jagenden Käpt’n Ahab komplett anders konzipiert war als später veröffentlicht … nein, auch sein eigentlicher Titel war durch die Herausnahme eines einzigen kleinen Wortes grundlegend manipuliert worden. Denn in seiner Urversion hieß dieser Klassiker in Wirklichkeit:
    Moby und Dick
    Es gibt viele Arten von Schleusen. Manche bestehen aus der Schleusenkammer und zwei oder mehr Schleusentoren. Es gibt aber auch Schleusen mit mehr als zwei Toren, beispielsweise an Kreuzungen von Kanalsystemen, wie zum Beispiel die Kesselschleuse in Emden. Die Schleuse nahe der belgischen Grenze, an der Dick Peters nun schon seit über dreißig Jahren tätig war, gehörte zu den kleinen, eher simplen Konstrukten. Eine mit nur einem Tor, das man morgens öffnete und abends schloss. Was zwar eine nächtliche Weiterfahrt unmöglich machte, aber auch niemanden störte, weil hier nachts sowieso keiner langwollte. Eigentlich hätte man meist schon am späten Nachmittag den Hebel zur Schließung betätigen können, denn spätestens ab sechzehn Uhr kam hier so gut wie nie noch ein Schiff vorbei.
    Trotzdem wartete Peters, der eigentlich mit Vornamen Rolf hieß, aber schon seit Kindheit von allen nur »Dick« genannt wurde, auch an diesem Freitag im August bis achtzehn Uhr, um dann pünktlich die Schleuse zu schließen. Wie immer ging er die exakt zweiundzwanzig Komma vier Meter von seinem Schleusenwärterhäuschen rüber zum Kanal, um sich davon zu überzeugen, dass das Tor auch ordnungsgemäß und gänzlich geschlossen war. Und während er da so lief, genoss er die Stille hier draußen, ja, er sog sie förmlich ein. Dick Peters war nämlich das, was man einen »ruhigen Zeitgenossen« nannte. Einer, der nicht gern viel Worte machte und der möglichst jedem ausgedehnten Gespräch aus dem Weg ging. Wobei »ausgedehnt« schon war, wenn ihn die Bäckersfrau hinter der Ladentheke fragte, ob sie die Laugen- und die Kümmelbrötchen zusammen in eine Tüte stecken dürfe, und er dann nickte. Deshalb hatte er auch kein Telefon zu Hause, geschweige denn ein Handy! Dass Menschen freiwillig dazu bereit waren, überall und jederzeit erreichbar zu sein, überschritt seinen Verständnispegel komplett. »Jo!«, »Nee!« und »Ui!« waren denn auch die Säulen seiner Sprache, und damit war er bislang mehr als gut zurechtgekommen.
    So ungern er sprach, so gerne aß er! Vor allem Fleischwurst! Fleischwürste waren nicht nur einfach besonders lecker, sie gaben ihm Halt, sie beruhigten ihn, sie spendeten ihm Trost und lösten immer wieder einen ungebremsten Optimismus in ihm aus, wenn er nur an sie dachte. Ja, Fleischwürste waren im Laufe seines Lebens Mittelpunkt seines Ichs geworden. Die dadurch hervorgerufene enorme Verbreiterung seines Körpers vor allem im Gürtelbereich hatte dem Wortkargen aus seiner Sicht viele Vorteile gebracht. Vor allem genoss er, dass es schon lange keine Frau mehr auf ihn abgesehen hatte. Frauen redeten nämlich besonders gern und besonders viel, und das hätte ihn vermutlich irgendwann verrückt gemacht! So aber war er der dicke Schleusenwärter mit dem (mittlerweile) passenden Rufnamen, zu dem keiner Kontakt suchte (was den Begriff »Rufnamen« wiederum eigentlich überflüssig machte). Der Sonderling, der da tagein, tagaus in seinem kleinen schmucklosen Häuschen neben der Schleuse saß.
    Dick Peters bemerkte gleich, dass an diesem Tag etwas nicht stimmte. Das Tor hatte sich nicht vollständig geschlossen.
    »Wahrscheinlich wieder einer von diesen verfaulten Baumstämmen, die sie beim Sägewerk flussaufwärts ins Wasser geworfen haben«, dachte er, während er die glitschige Steintreppe runterstapfte. Er kannte das und wusste, dass es kein großer Akt war. Einfach ins dunkle Wasser greifen und den störenden Gegenstand
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