Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dollars

Dollars

Titel: Dollars
Autoren: Gerben Hellinga
Vom Netzwerk:
zusammengelebt hatten. Es hatte einfach gut zwischen uns funktioniert. Aber ansonsten... Sie war ein ziemlich wildes Mädchen gewesen, aus gutem Hause, aber mit vielen üblen Bekanntschaften. Nach unserer Trennung war sie Stewardess geworden. Weil sie mal was anderes wollte, wie sie sagte. Wir waren Freunde geblieben, auch nachdem ich geheiratet hatte. Obwohl Annette nicht mit ihr konnte. Jeanette und Annette, allein schon die Namen bereiteten Schwierigkeiten.
    Aber dann kam der Knast. Genau drei Jahre war das jetzt her, und wir hatten uns seitdem nicht mehr gesehen.
    Ein liebes Mädchen, diese Jeanette, ein bißchen verrückt und ein bißchen zügellos. Sie hatte mich damals am laufenden Band betrogen, aber ich war, ehrlich gesagt, auch kein Waisenknabe. Trotzdem war sie anhänglich gewesen und im Grunde sehr einsam. Sie konnte tage- und nächtelang durchmachen, aber dann igelte sie sich plötzlich zu Hause ein. Dann gingen wir eine ganze Woche lang nicht vor die Tür, lasen, hörten Musik, tranken literweise Irish Coffee und fragten uns, ob wir nicht doch heiraten sollten. Ich war gespannt zu hören, wie es ihr seither ergangen war.
    Sie kam wieder den Gang herunter, strich mit der Hüfte an meiner Schulter entlang und flüsterte mir ins Ohr, ich solle mit in die Pantry kommen. Als ich mich erhob, sah ich, daß mein italienischer Sitznachbar mich unter seiner Brille hervor scharf beobachtete. Ich zog eine Augenbraue hoch und fixierte ihn. Da spähte er hastig wieder in seinen Oggi , den er noch dazu verkehrtherum hielt. Wahrscheinlich konnte er nicht mal lesen. Die fünf Mannequins gaben sich ganz unbeteiligt und starrten wie Porzellanpüppchen aus dem Fenster. Ich folgte Jeanette. Unterwegs begegneten wir der anderen Stewardess, dieuns Platz machen mußte und gerne weggeschaut hätte. Was ihr zum Glück nicht gelang, so daß sie erneut rot wurde.
    In der Pantry im hinteren Teil des Flugzeugs hatte Jeanette schon eine Flasche Cognac geöffnet und zwei Gläser bereitgestellt. Sie zog den Vorhang, der uns von den Passagieren trennen sollte, hinter uns zu.
    »Ich hab’ nur ganz kurz Zeit, Liebling. Ich muß gleich die Tabletts wieder abräumen. Aber laß uns erst mal anstoßen.«
    »Erst mal was anderes.« Ich küßte sie auf den Mund, länger, als man das vielleicht normalerweise tut. Sie machte sich sanft von mir los. In ihren Augen schimmerte etwas, das ich noch von früher her zu kennen meinte. Wir stießen an. Prost. Hennessy. Wir tranken gleichzeitig ex, ein altes Ritual zwischen uns.
    »Erzähl, was hast du in Schweden getrieben?« fragte sie. »Bäume gefällt.«
    Sie nickte, als wäre es völlig normal, daß ein Texter aus Amsterdam in Schweden Bäume fällte...
    »Geht es dir jetzt wieder gut?«
    »Besser. Hast du dich noch gelegentlich mit Annette getroffen?«
    »Natürlich nicht«, entgegnete sie scharf. Sie goß die Gläser wieder voll und fragte: »Arbeitest du jetzt wieder in Amsterdam? Prost.«
    »Prost.«
    Ich saß auf einem kleinen Hocker, der zu niedrig für mich war, und meine Beine hatten in dem winzigen Stahlkabuff so wenig Platz, daß die Füße unter dem Vorhang hindurch in die Kabine ragten. Ich kam mir irgendwie unwirklich vor, als hätte ich die Hauptrolle in einem Film gespielt, den ich mir jetzt anguckte. Das kam wahrscheinlich vom Cognac, den ich nicht mehr gewohnt war, und ich hatte in der kurzen Zeit zwei großeGläser davon runtergekippt. Ich hob den Kopf und sah meine Gegenspielerin lange an, bevor ich ihr antwortete.
    »Ich weiß noch nicht. Ich werde wohl müssen, schätze ich. Aber große Lust habe ich nicht. Fürs erste reicht das Geld noch. Dann werden wir sehen. Wie gefällt dir die Fliegerei?«
    »Ach«, sagte sie matt, »geht so. Ich würde gern aufhören, aber ein Jahr muß ich noch.«
    »Willst du nicht endlich mal heiraten?« Ich wollte sie nur ein bißchen aufziehen, aber ich hätte das wohl besser nicht gesagt.
    Sie leerte ihr Glas wieder in einem Zug, kramte in ihrer Schultertasche und zog eine Zigarette heraus. »Ich weiß nicht, Sid, ich weiß überhaupt nichts mehr«, sagte sie.
    Ich gab ihr Feuer.
    Wieder war mir, als spielte ich in einem Film. Während sie tief inhalierte, sagte sie noch einmal: »Ich weiß nicht.« »Probleme?«
    »Ach, Probleme. Ich bin einfach zuviel allein. Manchmal ist das alles ganz schön schwer.«
    Angst vor dem Älterwerden, dachte ich ungalant.
    Sie legte die Hand auf meine Schulter. »Ich hab’ ein paar Tage frei. Kommst du morgen zum
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher