Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dollars

Dollars

Titel: Dollars
Autoren: Gerben Hellinga
Vom Netzwerk:
wenn auch mit kaum vorhandenem Wasserdruck. Ich blieb zwanzig Minuten unter dem spärlichen Strahl stehen und legte mich dann aufs Bett, um die Zeitungen zu lesen.
    Um sieben Uhr trieb mich mein knurrender Magen aus dem Zimmer. Da meine Anzüge und alle anderen Klamotten noch beiAnnette waren, mußte meine Holzfällerkluft wohl oder übel für einen weiteren Abend herhalten.
    Der alte Herr unten nickte mir verträumt zu. Er spielte mit einem Zigarrenetui, und vor ihm lag die Abendzeitung. Sein Sherryglas war gut gefüllt. Draußen wurde es schon langsam dunkel. Die Leute saßen noch im Freien oder an den geöffneten Fenstern der vornehmen Grachtenhäuser. Neben dem Hotel auf dem Gehsteig hockte ein nackter kleiner Junge in einer Waschschüssel und spielte mit seinen Bötchen. Die Eltern saßen schmunzelnd daneben.
    Es war schwülwarm, ein Gewitter hing in der Luft.
     
    Ich ging automatisch Richtung Hoppe . Das Hoppe am Spui ist eines der zwanglosesten alten Lokale Amsterdams. Am gleichen Ort hat es seit Jahrhunderten immer schon eine Gastwirtschaft gegeben. Und ich finde es irgendwie beruhigend zu wissen, daß Generationen von Menschen sich hier haben volllaufen lassen und die Welt sich trotzdem weiterdreht, wie immer man auch darüber denken mag. Früher hatte ich direkt beim Hoppe um die Ecke gewohnt und war hier Stammgast gewesen. Ich hatte eine Dachgeschoßwohnung am Singel ergattert und sie mit allem Komfort, Badezimmer, Dachterrasse und so, ausbauen lassen. Drei Jahre hatte ich dort gewohnt, zwei davon mit meiner Frau Annette. Ich arbeitete damals hart und verdiente viel. Wir fuhren einen DS, und Annette besaß noch einen 2CV. Ich arbeitete freiberuflich und konnte mir die Zeit nach eigenem Belieben einteilen. Wir lebten gut und verreisten oft. Immer mal wieder gönnten wir uns zwei Wochen Auszeit am Lago Maggiore oder auf Mallorca oder im Winter beim Skilaufen.
    Bis zu jenem Abend. Ich saß zu Hause und arbeitete. Annette war irgendwen besuchen gegangen und mußte jeden Momentwieder zu Hause sein. Ich wartete eigentlich auf sie, denn ich wollte noch auf ein Glas ins Hoppe . Es war ein schwüler Sommerabend, das Fenster stand offen, draußen war es still. Plötzlich hörte ich Annette schreien. Ich rannte ans Fenster und sah, wie sie von einem Kerl niedergeschlagen wurde. Dann warf er sich auf sie und traktierte sie mit seinen Fäusten. Ich hörte ihr Wimmern.
    Ich weiß nicht mehr, wie ich die vier steilen Treppen runtergekommen bin, aber mit einem Mal stand ich unten auf der Straße. Annette lag einige Meter weiter weg regungslos auf dem Boden, ein paar Gaffer guckten aus sicherer Entfernung zu, der Mann war schon fast an der nächsten Ecke.
    Ich weiß auch nicht mehr, warum ich nicht zuerst zu Annette gegangen bin, das hat man mir später vor Gericht angekreidet, ich weiß nur noch, daß ich dem Typ unter heiserem Geschrei hinterher bin. Die Gaffer haben später erklärt, ich hätte in einem fort tot, tot, tot gebrüllt, aber ich habe keine Ahnung, was ich damit meinte.
    Auf einer Brücke holte ich ihn ein, packte ihn in vollem Lauf bei der Schulter und riß ihn herum. Sein Gesicht war kreideweiß, wie vermutlich auch meines und das von Annette, und seine Stirn schweißnaß. Während er nein, nein, nein stammelte, traf ihn mein erster Schlag auf den Mund. Er flog gegen das Brückengeländer und sackte dort jaulend in sich zusammen. Ich schlug erneut zu und schlug weiter, bis er keinen Mucks mehr von sich gab und ich von anderen festgehalten und zu Boden gedrückt wurde.
    Er war tot. Annette mußte mit schweren inneren Verletzungen ins Krankenhaus. Und ich wanderte in Untersuchungshaft.
    Es folgte ein Prozeß, der die Gemüter erregte. Der Mann, den ich erschlagen hatte, war nach Aussagen seiner Angehörigenund seines gesamten Bekanntenkreises ein unbescholtener Lebensmittelhändler gewesen, und niemand konnte sich vorstellen, was ihn dazu hätte veranlassen sollen, Annette erst durch die halbe Stadt zu verfolgen und dann an der dunklen Gracht über sie herzufallen. Seine Witwe erklärte weinend, daß er niemals zu so etwas imstande gewesen wäre, und schrie mich an, daß ich ein Mörder sei – was ich nicht leugnen konnte. Zum Glück gab es genügend Zeugen, die gesehen hatten, wie er Annette attackiert hatte. Geholfen hatte ihr natürlich keiner, denn alle waren, wie sie dem Richter beteuerten, davon ausgegangen, daß es sich um einen »normalen Ehekrach« handelte. Offenbar war es für diese Leute
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher