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Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)

Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)

Titel: Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)
Autoren: Fulvio Ervas
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darin las. Stucky ließ sich einen Teller belegte Schnitten mit Radicchio und Baccalà bringen, dazu ein Glas stillen Prosecco. Er bevorzugte das Tischchen in der Ecke, am Fenster, um sich am Anblick der Vorübergehenden zu erfreuen. Passanten boten immer ein Schauspiel. Schon in Venedig hatte er es genossen, sich die Zeit mit dem Betrachten der Leute zu vertreiben. Auch auf diese Weise lernte man etwas über die Welt.
    Als vor der Bar, auf dem Gehsteig, eine ältere Frau stehen blieb, riefen die Gäste: » Eco la mata !«
    Fast so, als wäre das Fenster der Bar ein Spiegel, zog die soeben als verrückt Bezeichnete ihren Mantel aus und zupfte ihren Rock zurecht. Dann schlüpfte sie wieder in den Mantel, strich sich die Augenbrauen glatt, schenkte sich selbst ein Lächeln, runzelte die Stirn und schnitt mit ausgestreckter Zunge ein paar Grimassen. Ihren Auftritt schloss sie mit einer Drehung ab und tat, als wollte sie Mantel und Rock hochheben.
    »Ecola!«
    In der Bar brandete Applaus auf.
    Das war Signora Capuzzo, der letzte Rest von dem, was von einem Brillengeschäft in Cadore, einem Hotel in Cortina und einem großen, später als Bauland ausgewiesenen Landgut in der Umgebung von Caorle geblieben war.
    »Haben Sie das gesehen, Dottore? Wollen Sie sie nicht wegen unzüchtiger Handlungen festnehmen?«, fragte Secondo der Wirt lachend.
    »Wenn nur alle unzüchtigen Handlungen so wären!«
    » El gà rason ! Die Verrückte ist verliebt in diesen hübschen Jüngling.«
    »Jüngling ist gut! Ich habe mich doch schon so geschunden, mein lieber Secondo …«
    »Sie scheinen besorgt zu sein, Dottore.«
    »Ich muss mich gerade mit einer kniffligen Frage herumschlagen …«
    »Mit dem Diebstahl auf der Piazza Pola oder mit den Verkäuferinnen?«
    »Mit den Verkäuferinnen.«
    Magister Manzoni blickte von seinem Buch auf und sagte: » I xe scherzi , nur Wichtigtuerei, machen Sie sich keine Sorgen, Dottore, die Sache hat sich bald erledigt.«
    Der Maler Serena, der immer noch auf der Suche nach dem passenden Rahmen für seine Bilder war, war anderer Meinung. »Das ist ein schlimmes Omen«, meinte er. »In Treviso sind noch nie Verkäuferinnen belästigt worden. Ein schlimmes Omen.« Und er hob eines seiner Aquarelle in die Höhe.
    »Secondo, Sie kennen die Stadt wie Ihre Westentasche. Wie denken Sie darüber?«
    » Un mato o …« Der Wirt blickte um sich, bevor er im Flüsterton fortfuhr: »Ich weiß, dass Sie hier nicht den Spitzel spielen … o un foresto … «
    »Also jemand, der so verrückt ist wie Signora Capuzzo?«
    »Ein wirklicher Verrückter, ein bösartiger.«
    »Dann wird die Sache also Ihrer Meinung nach weitergehen?«
    »Und ob! Natürlich! So sind die Irren nun mal. Hartnäckig.«
    »Schluss mit dieser Irren-These!«, unterbrach sie Magister Manzoni mit dröhnender Stimme. »Reden wir lieber vom Ewig-Weiblichen, das uns hinanzieht!«
    Stucky teilte eher die Gefühle des Malers. Auf die Aufwärmphase mit den Telefonaten waren gleich die ersten konkreten Auftritte auf offener Szene gefolgt: Der Übeltäter hatte nichts für das Labor, das simulierte Leben, übrig, ihm gefiel es vielmehr, im öffentlichen Raum zu wirken. Leider waren die von seinen Opfern zusammengetragenen Informationen unglaublich vage und alles andere als hilfreich. Die einzige Maßnahme, die der Inspektor ergriffen hatte, beruhte ganz auf der Hoffnung, vorausahnen zu können, wer die nächste Zielscheibe sein würde, und sonderbarerweise kam ihm dieser Ansatz selbst lächerlich vor.
    Er beschloss, die Nichte von Kommissar Leonardi noch einmal zu befragen.
    Während er die Straße hinunterging und seine Gedanken ordnete, hielt er sich dicht hinter einem Paar, das wie verheiratet aussah. Sie zerrte ihn mit und zeigte ihm Vorhänge und Bettdecken. Die beiden erwiesen sich als äußerst aufmerksam und kommentierten jede Einzelheit im Schaufenster, jedes Detail der ausgestellten Waren, um dann mit dem Zeigefinger auf das beste Stück zu deuten. Stucky folgte ihnen ins Geschäft, das nicht nur aus Schaufenstern bestand, sondern weitläufig war, ausgestattet mit Balkendecke und langen Ladentischen aus altem Holz, bedeckt mit kostbaren Stoffen, einem Meterstab von anno dazumal, und hinter dem Tisch stand ein der Rente entgegengehender, bebrillter Verkäufer, der bis in die geringfügigsten seiner Bewegungen hinein Kompetenz ausstrahlte. Stucky begriff, dass er unter dem Vorwand, etwas kaufen zu wollen, nach allem hätte fragen können, und kam zu dem
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