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Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)

Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)

Titel: Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)
Autoren: Fulvio Ervas
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Spinner. Vielleicht ein Betrunkener. Machen Sie sich keine Sorgen.«
    »Ich bin die Ruhe selbst.«
    »Ich lasse Ihre Nichte ein paar Tage lang nach Hause begleiten.«

    Der Inspektor verschwand hinter der Piazza dei Signori. Aus den Augenwinkeln nahm er die Ansammlung von Messingschildern wahr, die neben den Portalen vornehmer Palazzi auf Anwalts- und Notarskanzleien oder Arztpraxen hinwiesen. Einige offen stehende Tore gaben den Blick auf elegante Interieurs frei, auf Treppen aus Marmor und Stein, auf Gärten und Ziegelmauern. Unversehens fand sich Stucky auf dem Ponte di San Francesco wieder. Er blieb stehen, lehnte sich gegen die Brüstung und dachte an die Handvoll Erde, die er auf Martinis Sarg hatte fallen lassen. Ich hätte merken müssen, dass etwas nicht in Ordnung war, sagte er sich. Im Oktober hatte Martini, im Gegensatz zu den vorangegangenen Jahren, die Ombralonga , den traditionellen nächtlichen Zug durch die Trevisaner Weinlokale, nicht mitmachen wollen. »Ich habe keine Lust, mich volllaufen zu lassen«, hatte er gesagt, in einem Ton, der überhaupt nicht zu ihm passte.
    Im Jahr davor hatten sie die Uniformen im Schrank gelassen und sich gegenseitig geschworen, sich nach allen Regeln der Chamäleonkunst so zu verhalten wie tausend andere, die sich einen Rausch antranken, also ein bisschen beschwingt, ein bisschen beduselt und sehr gesellig. Wie die anderen, die sich betranken, hatten sie bei allen Weinlokalen angeklopft, und überall hatte man sie erbarmungslos hereingewinkt. Das Ganze hatte spät in der Nacht auf einer Bank geendet, und als sie schließlich am Ufer eines Baches saßen, die Füße so gut wie im Wasser, hatte Martini ihn gefragt, ob er, Stucky, jemals einen flotten Dreier hingelegt habe. Hingelegt? Ich? Mit wem? Na, das frage ich Sie, Signor Inspektor. Sobald die Rede auf Sex kam, pflegten sie sich zu siezen. Das war einer von Martinis Vorzügen, die er so sehr geschätzt hatte, diese Art, wie er sich annäherte und dann wieder auf Distanz ging, sein ständiges Bemühen, die Grenzen des Erlaubten nicht zu überschreiten.

    Stucky bog in die enge Via Trevisi ein und warf vom Ponte della Malvasia einen Blick auf den Riesenteppich, der einen Großteil des Schaufensters eines Ladens auf der rechten Seite ausfüllte.
    Als er drinnen daij Cyrus auf einem Stapel Teppiche sitzen sah, musste er lächeln. Er beobachtete seinen Onkel durch die Scheibe – im Schneidersitz, in seinem üblichen dunkelgrauen Anzug, das weiße Hemd bis oben zugeknöpft. Er hielt das unvermeidliche Gläschen ciaj auf der Höhe des Mundes und war wie immer tief in Gedanken versunken. Onkel Cyrus war inzwischen der Einzige aus seiner persischen Verwandtschaft, der für ihn noch einigermaßen erreichbar war.
    »Alles in Ordnung, Dadà?«, fragte Stucky, während er die Tür aufdrückte und die Ladenklingel Sturm läutete.
    Hinter Onkel Cyrus hingen vergilbte Fotos von Dr. Mossadegh, dem »Präsidenten«, wie er ihn nannte. Er zog die Beine noch näher an sich heran und stellte das Glas auf das vor ihm liegende Tablett. Einen Moment musterte er seinen Neffen mit melancholischem Blick, schenkte ihm dann ein breites höfliches Lächeln, streckte die Hand aus und gab ihm einen Kuss.
    »Cetori?«
    » Khubam . Und was machen die Geschäfte, Dadà?
    »Denen geht es besser als mir.«
    »Die Gesundheit, Onkel?«
    »Der Magen. Auf den Teppichen zu sitzen bekommt mir nicht mehr so gut wie früher. Aber ich beklage mich nicht. Und du, beklagst du dich?«
    »Nicht einmal im Traum! Auch wenn …«
    Cyrus wartete schweigend, damit der Inspektor den Satz nur dann zu Ende brachte, wenn er es auch wirklich wollte.
    »Na ja, womöglich Ärger bei der Arbeit.«
    »Sonst nichts?«
    »Auch Trauer … ein Freund.«
    »Manchmal vergeht der Winter, aber es bleibt trotzdem finster«, verkündete Cyrus, ohne Stucky anzuschauen.

2. D EZEMBER
    Am nächsten Tag musste Stucky sich eingestehen, dass die Sache offensichtlich doch noch nicht ausgestanden war. Eine andere Verkäuferin.
    Sie hatte das Geschäft abgeschlossen und war zum Parkplatz auf der Piazza della Vittoria zu ihrem Auto gegangen, als ein Typ sie einholte, von hinten anrempelte und sie, bevor er davonrannte, noch mit einer Beleidigung bedachte.
    Die Ärmste war ins Polizeipräsidium gestürzt, wobei sie am Eingang beinahe den wachhabenden Polizisten umgerannt hätte.
    Man hatte sie zu Stucky geführt, genau in dem Moment, als seine Schicht eigentlich zu Ende war. Er brachte gerade
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