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Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)

Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)

Titel: Dolce Vita, süßer Tod: Kriminalroman (Inspektor Stucky) (German Edition)
Autoren: Fulvio Ervas
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bevor die Kollegen mit dir darüber reden und das zu irgendwelchen Missverständnissen führt.
    Hier also die Geschichte vom Mord an dem Ehepaar Barbisan!
    Ich bin über einen Flohmarkt geschlendert und habe mehr auf die Leute geachtet als auf die angebotenen Waren. Ein Blick auf einen alten Schaukelstuhl, einen Bilderrahmen, eine goldene, mit Rubinen besetzte Brosche, ein Buch über Baumschnitt, Briefmarken. Ich hatte einige wunderschöne Gläser hochgehoben, um sie im Gegenlicht zu betrachten, und dabei, am Nachbarstand, einen seltsamen, erregt wirkenden Mann bemerkt. Er betastete gerade ein Silberbesteck englischer Herkunft; er befühlte es mit leidenschaftlicher Verzückung, fast so, als handele es sich um Gegenstände, die ihm lieb und teuer waren, so, als habe er ganz unerwartet einen verlorenen Schatz wiedergefunden.
    Folgst du mir noch, Landrulli?«
    »Wie der erste Waggon hinter der Lokomotive, Signor Inspektor!«
    »Der Mann hatte sich bei der Verkäuferin nach einigen Details erkundigt; in ihren Pelz eingemummelt, wirkte sie zerstreut, blickte nur von ihrer Illustrierten auf und sah ihn über den Rand ihrer Lesebrille an, ohne ihm besondere Beachtung zu schenken. Dann hatte er ein Fischmesser gepackt, eines mit bearbeitetem Griff und breiter Klinge, die nur leichte, hartnäckige Oxydationsflecken aufwies. Er hatte es vor sich hin gehalten, vor- und rückwärts bewegt, bestimmt nicht mit der Absicht, damit die Gräten aus einer Goldbrasse zu entfernen. Die Frau hatte einen Preis genannt, und der Mann hatte ohne zu feilschen bezahlt und war mit seiner Neuerwerbung fort, bevor die Trödlerin den Gegenstand fachgemäß hatte verpacken können.
    Neugierig geworden, war ich ihm gefolgt. Ich habe ihn in einer Bar sitzen sehen, wo er seine Erwerbung begutachtete. Dann war er in einen alten schwarzen Volvo gestiegen. Das Nummernschild habe ich mir notiert.
    Als eine Woche später die Leichen der Eheleute Barbisan gefunden wurden, die durch Stiche einer breiten Klinge abgeschlachtet worden waren, habe ich mir gesagt: Jede Wette, dass … Ich habe geschwind einige Details überprüft. Eine Erbschaftssache, ein verwirrter Neffe, der in einer Villa in Montello wie auf einer Insel lebte, und Onkel und Tante, die diese Immobilie verkaufen und ihn unter Kuratel stellen wollten.
    ›Warum dieses Messer?‹, habe ich ihn später gefragt.
    ›Mein Onkel liebte Fisch, besonders die Flussforellen‹, hat der Mörder im Brustton der Überzeugung geantwortet.
    Ist das deiner Meinung nach Dusel? Oder Intuition, Beobachtung, rasches Erkennen von Zusammenhängen? Also bitte …«
    »Signor Inspektor, die Hauptsache ist, man tut sich nicht weh.«
    Eine Antwort à la Martini, dachte Stucky und lächelte.
    Dann, nachdem er das Polizeipräsidium verlassen hatte, machte er einen Bogen um die Piazza dei Signori und die Dreckspritzer aus dem Schafstall voller fetter Schafe und dem Maultier und wich der Loggia dei Cavalieri aus, die nur von altem Plunder umgeben war. Einer plötzlichen Eingebung folgend, lief er zur Casa del Baccalà, die er just in dem Augenblick erreichte, als sie geschlossen werden sollte. »Einen Panettone!«, flehte Stucky. »Er gehört doch zu euren Wunderwerken.«
    »Einen Zweipfünder oder einen Vierpfünder?«
    »Einen Vierpfünder.« Er überschlug die Zahl der Personen, mit denen er den Weihnachtskuchen am nächsten Tag teilen würde.
    »Er ist federleicht«, murmelte er, als er das Päckchen in Empfang nahm.
    »Unsere Panettoni sind tatsächlich so luftig, dass sie weniger zu wiegen scheinen.«
    Der Inspektor beschloss, den späten Abend in der Osteria Da Secondo abzuwarten, mit einem Glas Wein in der Hand, das, nach Bedarf, geleert und wieder aufgefüllt wurde. Von Secondo ging er dann zwischen den mittlerweile verstummten Häusern die Via Trevisi hinunter. Die Geschäfte hatten der Reihe nach geschlossen. Ein erschöpftes Schlaraffenland. Die Kunden hatten sich bereits verkrümelt, und bald würden die Verkäuferinnen die Päckchen und die bunten Bänder vergessen haben. Weihnachten hatte sich fast schon verflüchtigt. Er stand vor dem Haus seiner Träume. Vom Ponte della Malvasia aus betrachtet, wuchsen die Umrisse des Gebäudes in den Himmel hinein, und überall diese Festbeleuchtung, diese winzigen Lichtpunkte, verteilt über den Fischmarkt, über die Brücken, über die alte Platane, an der Uferpromenade, der Universität. Wer könnte sich der künstlichen Wirkung dieser Stille entziehen …?

25. D
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