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Diva (DE)

Diva (DE)

Titel: Diva (DE)
Autoren: Chuck Palahniuk
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dass Sie das von mir haben.
    In Reichweite dieser heldenhaft fliegenden Ellbogen sitzt meine Miss Kathie und starrt aus der Wolkenbank von Zigarettenrauch heraus. Eine Schauspielerin von Katherine-Kenton -Format. Ihre veilchenblauen Augen, zeitlebens gewohnt, nie mit etwas anderem als dem Objektiv einer Filmkamera Kontakt aufzunehmen. Nie einem andern in die Augen zu sehen, sondern sich stets auf Ohrläppchen oder Lippen zu konzentrieren. Trotz solcher Gewohnheiten späht meine Miss Kathie mit flatternden Wimpern den Tisch hinunter. Die schlanken Finger einer berühmten weißen Hand spielen mit den kastanienbraunen Locken ihrer Perücke. Die mit Juwelen geschmückten Finger von Miss Kathies anderer Hand streichen über die sechsreihige Perlenkette, die die Faltenfurchen der schlaffen Haut an ihrem Hals verbergen.
    Im nächsten Augenblick, während die Lakaien Fingerschalen reichen, dreht Lillian sich auf ihrem Stuhl, hebt ein unsichtbares Scharfschützengewehr an die Schulter und ballert herum, bis der Ladestreifen leer ist. Immer noch triefend von Hebräer- und Kommunistenbabys. Beladen mit der Fracht semitischer Waisen. Als sie das glühend heiße Gewehr nicht mehr halten kann, stößt Miss Hellman ein wildes Kriegsgeschrei aus und schleudert die dampfende Waffe nach den verfolgenden SA-Männern.
    Fauch, kläff, kreisch  … Peter Lorre . Oink, kläff, quiek  … Averill Harriman .
    Es ist ein Schicksal, schlimmer als der Tod, die Ewigkeit als Lilly Hellmans Zombie zu verbringen, zum Leben erweckt für ihre Dinnerpartys. Ihre Radiosendungen. Unterdessen stößt Miss Hellman das nächste Bündel unsichtbarer Babys, gerettete Zigeunerkinder, in Richtung Kronleuchter hoch, als katapultiere sie sie über den schneebedeckten Gipfel des Matterhorn s in die sichere Schweiz .
    Grunz, heul, quiek … Sarah Bernhardt .
    Derweil krallt Lillian Hellman beide Fäuste um den unsichtbaren Hals von Adolf Hitler , führt die Szene auf, wie sie sich, als Leni Riefenstahl verkleidet und mit Schwarzmarktstangen Lucky Strike und Parliament beladen, in seinen unterirdischen Bunker in Berlin eingeschlichen und den schlafenden Diktator im Bett erdrosselt hat.
    I-aah, kläff, wieher  … Basil Rathbone .
    Lilly schmeißt einen imaginierten erschrockenen Hitler mitten auf die heutige Speisetafel, beißt hinein, kratzt ihm mit ihren manikürten Fingernägeln die Naziaugen aus. Sie hält mit beiden Fäusten die unsichtbare Luftröhre umklammert und hämmert den unsichtbaren Führerschädel aufs Tischtuch, dass Besteck und Weingläser klirrend aufspringen.
    Kreisch, miau, piep  … Wallis Simpson .
    Heul, i-aah, quiek  … Diana Vreeland .
    Kurz vor Hitlers endgültiger Ermordung blickt George Cukor auf, von seinen Fingerspitzen tropft eiskaltes Wasser in seine Fingerschale, es riecht nach frisch aufgeschnittenen Zitronen, und George sagt: »Bitte, Lillian.« Der arme George sagt: »Würdest du bitte damit aufhören .«
    Ganz am unteren Ende der Tafel, beim Fußvolk der Branche, bei den Statisten, den Drogenhändlern, den Hypnotiseuren, den exilierten Weißrussen und bei dem armen Lorenz Hart , wirklich am äußersten Horizont der heutigen Essenstafel, hebt ein junger Mann den Blick. Platziert ans hinterste Ende. Seine Augen sind vom hellen Braun einer Vierter-Juli-Sonne, die durch ein großes Glas Rootbeer scheint. Ein amerikanisches Prachtstück. Ein klassisches Antlitz von vollendetem Ebenmaß, ein exakt ausbalanciertes Gesicht, das man in seinen Träumen sieht, wie es einem lächelnd zwischen die Schenkel taucht und sich dort zu schaffen macht.
    Aber das ist das Dumme, wenn man nur einen einzigen Blick auf einen Stern am Horizont werfen kann. Wie Elsa Maxwell sagen würde: »Man kann sich niemals sicher sein, ob dieses funkelnde, leuchtende Ding am Aufgehen oder am Untergehen ist.«
    Lillian inhaliert das Schweigen durch ihre brennende Zigarette. Klopft die graue Asche auf ihren Brotteller. Stößt Rauch aus und sagt: »Habt ihr gehört?« Sie sagt: »Tatsache, Eleanor Roosevelt hat jedes Haar an meinem Busch einzeln gezählt.«
    Zigarettenrauch und Lügen und der Zweite Weltkrieg   – durch das alles hindurch blicken die hellbraunen Augen des Prachtstücks den Tisch entlang, die soziale Leiter hinauf, blicken tief in die berühmten, flackernden veilchenblauen Augen meiner Arbeitgeberin.

1. AKT, ZWEITE SZENE
     
    Wenn Sie gestatten, dass ich kurz vor den Vorhang trete, mein Name ist Hazie Coogan.
    Mein Beruf ist nicht der einer
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