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Diva (DE)

Diva (DE)

Titel: Diva (DE)
Autoren: Chuck Palahniuk
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das Jahr, als jeder zweite Song im Radio »How Much Is That Doggy in the Window? « von Patti Page war. Die Szene zeigt eine Küche im Parterre des eleganten Stadthauses von Katherine Kenton ; an der hinteren Bühnenwand: ein Elektroherd, ein Kühlschrank, eine Tür nach draußen, ein staubiges Fenster in besagter Tür.
    Im Vordergrund sitze ich bei Tageslicht auf einem weiß gestrichenen Küchenstuhl, die Füße auf einen ähnlichen Tisch gelegt, die Beine an den Knöcheln gekreuzt, einen dicken Stoß Papier in der Hand. Ein Zettel flattert, gehalten von einer Heftklammer am Titelblatt. Auf dem Zettel steht in steiler Handschrift: Lass dir das auf der Zunge zergehen, solange es noch nach meinen Schweißtropfen und Lenden riecht . Unterschrift: Lillian Hellman .
    Aber natürlich handelt es sich weniger um eine Unterschrift als vielmehr um Lillys Autogramm.
    Auf Seite eins des Drehbuchs zerbricht sich Robert Oppenheimer den Kopf über die beste Methode zur Beschleunigung der Teilchendiffusion, bis Lillian eine Lucky Strike ausdrückt, ein Glas Dewar’s Whiskey hinunterstürzt und Oppenheimer von der verästelten Gleichung wegstößt, die er mit Kreide an eine große Tafel geschrieben hat. Mit Spucke und ihrem Augenbrauenstift von Max Factor korrigiert Lilly die Geschwindigkeit der Spaltung angereicherten Urans, und Albert Einstein schaut ihr zu. Einstein schlägt sich mit einer Hand an die Stirn und sagt: »Lilly, mein Liebchen, du bist ein Genie!«
    Etwas klopft von draußen an das Fenster in der Küchentür. Ein Vögelchen, es pickt. Die Spitze von etwas tock-tock-tockt an das Glas. In der Abendsonne schwebt draußen vor dem staubigen Fenster der Schatten von etwas, die leuchtende Spitze pickt und hackt winzige Grübchen in die Außenfläche der Scheibe. Ein verirrter Vogel, der in der Kälte verhungert. Gräbt und hackt winzige Löcher.
    Im Drehbuch rollt Lillian ein Exemplar von New Masses zu einem festen Schlagstock zusammen und schlägt ihn Christian Dior ins Gesicht. Harry Truman hat die größten Modeexperten der Welt zusammengetrommelt, um das Markenzeichen seiner ultimativen Waffe zu kreieren. Coco Chanel verlangt Pailletten. Sister Parish zeichnet die Bombe, wie sie mit einer langen Stiftperlenkette im Schlepptau aus dem japanischen Himmel fällt. Elsa Schiaparelli will unbedingt einen wattierten Schonbezug. Cristóbal Baleciaga ein Schulterpolster. Mainbocher will Tweed. Dior wirft karierte Stoffproben in den Konferenzraum.
    Lilly schwingt ihren gerollten Knüppel und sagt: »Was passiert, wenn der Reißverschluss klemmt?«
    »Lilly, Schätzchen, verdammt«, sagt Dior , »das ist eine Atombombe!«
    Der spitze Schnabel fährt mit unerhört schrillem Kreischen über das Glas und kratzt eine weitgezogene Kurve an die Außenseite des Küchentürfensters. Eine Spontanmigräne. Dann zieht die Spitze eine zweite Kurve. Die zwei Kurven vereinigen sich zu einem Herzen, ins Fenster geschnitten, und die Spitze pflügt einen Pfeil durch das Herz.
    Auf dem Papier sieht Adrian die Atombombe über und über mit Glitzersteinen verziert, funkelnde Feier eines grandiosen Siegs der Alliierten. Edith Head schlägt ihre kleine Faust auf den Konferenztisch des Waldorf Astoria und erklärt, wenn nicht etwas Handgehäkeltes flammenden Tod auf Hiroshima niederregnen lasse, werde sie aus dem Manhattan-Projekt aussteigen. Hubert de Givenchy schlägt auf Pierre Balmain ein.
    Ich stehe auf und gehe zur Küchentür rüber. Dahinter entdecken wir meine Miss Kathie, in einen Pelzmantel gehüllt, in der kalten Dämmerung fröstelnd die Arme vor der Brust verschränkt.
    Ich frage, ob sie nicht ein paar Monate zu früh nach Hause gekommen sei?
    Und Miss Kathie sagt: »Ich habe etwas gefunden, das sehr viel besser als Nüchternheit ist …« Sie wedelt mit der Linken, am Ringfinger blinkt ein Harry-Winston -Diamant, und sagt: »Ich habe Paco Esposito gefunden!«
    Der Diamant, das Werkzeug, mit dem sie ihr Herz tief in das Glas geschnitten hat. Das Herz und Amor s Pfeil, geritzt in das Küchentürfenster. Noch ein Verlobungsring, den sie selbst gekauft hat.
    Hinter ihr steht ein junger Mann, behängt wie ein Weihnachtsbaum mit diversen Gepäckstücken: Handtaschen, Kleidersäcken, Koffern und Ranzen. Alles von Louis Vuitton . Er trägt eine blaue Drillichhose, schwarze Motorölflecken an den Knien. Die Ärmel seines blauen Chambray-Hemds hochgekrempelt, so dass man die Tätowierungen auf seinen Armen sieht. Auf eine Seite der Brust ist sein
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