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Dirigent

Dirigent

Titel: Dirigent
Autoren: S Quigley
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vorzustellen, wie schwierig es damals als Komponist oder auch als Schriftsteller gewesen sein musste, unter dem repressiven stalinistischen Regime zu leben und zu arbeiten.
    Außerdem wollte ich schon seit langem etwas über die Aufgabe eines Dirigenten schreiben, dessen Arbeit auf mich genauso einsam und anspruchsvoll wirkt wie die eines Künstlers. Als ich dann etwas über den historischen Auftritt des Leningrader Sinfonieorchesters las, wurde meine Phantasie davon angeregt.
    Ich stellte fest, dass ich die beiden Geschichten, die von Schostakowitsch und die des Dirigenten, in einer Mischung aus Fakten und Fiktion miteinander verbinden konnte. Ich habe für diesen Roman ausführlich recherchiert und die Ergebnisse meiner Nachforschungen mit meiner persönlichen Vorstellung von Leningrad sowie mit teilweise erfundenen Figuren verwoben.
    Wie haben Sie sich im Kopf ein Bild von Leningrad während des Zweiten Weltkriegs gemacht?
    Als ich damals nach Berlin zog, fielen mir überall Spuren des Krieges auf, die noch nicht von der Zeit ausgelöscht worden waren. In Ostberlin kann man immer noch Einschusslöcher in Gebäuden und Bunker in den Straßen sehen. Dadurch wirkte der Krieg auf mich viel näher, als es wohl normalerweise der Fall gewesen wäre.
    Darüber hinaus habe ich viel über die Zeit des Krieges in Russland gelesen – die Entbehrungen, die Bombardierungen – und versucht, mir vorzustellen, wie es gewesen sein musste, in solch einem Zustand des Chaos und der Gefahr zu leben, ohne zu wissen, wann und ob er überhaupt jemals enden würde. Wie sind Sie in die Köpfe Ihrer Figuren vorgedrungen, von denen ja viele reale Personen einer anderen Kultur, einer anderen Zeit und eines anderen Geschlechts sind, die darüber hinaus auch noch eine andere Sprache sprechen als Sie?
    Ich hatte bereits ein paar russische Schriftsteller gelesen – Tschechow, Tolstoi, Dostojewski –, das mag beim Prozess des Schreibens hilfreich gewesen sein. Aber im Grunde war es so, dass mir die Hauptfiguren, sobald ich sie einmal erschaffen hatte, äußerst real und komplex erschienen sind – sie waren genauso wie jeder andere Mensch auch, egal welcher Nationalität oder Epoche.
    Natürlich kann man Der Dirigent als typisch russische Geschichte lesen – die Widerstandsfähigkeit der Figuren, ihre Entschlossenheit und ihre Leidenschaft für die Kunst –, doch zugleich ist es auch eine universale Geschichte, die für jeden Menschen von Belang ist, der sich für Musik begeistert, der schon einmal einen anderen Menschen geliebt hat, der künstlerisch tätig ist oder der harte Zeiten überstanden hat.
    Sie haben einmal gesagt, dass »Musik die Herzen der Menschen rühren und sie in dunkelsten Zeiten aufrechterhalten kann«. Hat Ihr eigener musikalischer Hintergrund Ihnen auch schon durch dunkle Zeiten geholfen?
    Ich habe bereits ziemlich früh angefangen, Cello und Klavier zu spielen. Musik war also schon immer ein wichtiger Teil meines Lebens. Und ich bin überzeugt davon, dass Musikhören oder das Spielen eines Instruments einem Menschen wunderbar Trost spenden kann. Als ich in meinen Zwanzigern nach England zog (um an der Universität von Oxford zu promovieren), hatte ich schreckliches Heimweh.
    Mein College hatte einen Steinway, der für alle zugänglich war, und ich habe mich jedes Mal gleich viel besser gefühlt, wenn ich eine Weile darauf gespielt hatte. Heutebesitze ich ein eigenes Klavier in meiner Berliner Wohnung. Ich spiele nahezu täglich darauf, was sich während der Entstehungszeit des Romans als sehr hilfreich erwiesen hat.
    Irgendwie konnte ich beim Spielen zugleich auch an das Buch denken, und so hat sich vieles ganz von selbst zusammengefügt.
    Es heißt, dass Sie im Jahr 2000 als Creative-New-Zealand-Writer-in-Residence nach Berlin zogen und von der Stadt so begeistert waren, dass Sie ganz dortblieben. Stimmt das? Und weshalb?
    Als mein Aufenthalt eigentlich beendet war, hatte ich das Gefühl, die Stadt gerade erst langsam kennenzulernen. Berlin ist eine Stadt, die nicht leicht zu erfassen ist. Sie hat solch eine bewegte, komplizierte Vergangenheit, und sie veränderte sich auch gerade zu jener Zeit in rasender Geschwindigkeit.
    Ich beschloss, noch ein wenig länger zu bleiben, und nach und nach fühlte ich mich hier zu Hause. Besonders großartig an Berlin finde ich die enorme Anzahl an Künstlern, die hier leben. Es ist so beruhigend, von Menschen umgeben zu sein, die dieselben Dinge schätzen wie man selbst – Kunst,
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