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Dinner mit Rose

Dinner mit Rose

Titel: Dinner mit Rose
Autoren: Danielle Hawkins
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den Stufen.
    Dem Wunsch seiner Tante entsprechend hielt Matt die Grabrede, mit schneeweißem Gesicht und dunklen Schatten unter den Augen. Sein unsicherer Gang zum Podium und wieder zurück erzielte, gepaart mit der Locke, die ihm in Byron’scher Manier in die Stirn fiel, einen dramatischen Effekt. Tante Rose wäre begeistert gewesen. Ich konnte sie fast anerkennend murmeln hören: »Trieft förmlich vor Pathos, nicht wahr, Josephine? Einfach wundervoll!«
    Wir sangen letztendlich aber doch nicht »Another One Bites the Dust«, als der Sarg aus der Kirche getragen wurde. Hazel und der Vikar hatten sich auf das traditionellere »How Great Thou Art« geeinigt. Und Tante Roses alter Widersacher, der Bürgermeister, war gezwungen, Matt als Sargträger zu vertreten.
    Rose Adele Thornton, geboren in Bath, England, und nur dreiundfünfzig Jahre später in Waimanu, Neuseeland, gestorben. Kompetente und mitfühlende Krankenschwester, glühende Befürworterin guter Behandlung von Tieren, Meisterin der korrekten Ausdrucksweise und unermüdliche Bekämpferin der falschen Anwendung von Apostrophen. Experimentierfreudige Küchenchefin, tapfere Kranke und treue Freundin. Sie hatte den Mut, ein Leben, das ihr das meiste von dem, was sie sich wünschte, verwehrt hatte, in vollen Zügen zu genießen. Die mutigste Frau, die ich je gekannt habe.

    Während die meisten Trauergäste sich in der zugigen Vorhalle der Kirche mit Sandwiches und Apfelkuchen stärkten, stahl ich mich davon, um Matt zu suchen. Ich fand ihn auf der niedrigen Ziegelmauer, die den angrenzenden Park umgab. Es war kalt, ein schneidender Südwind ließ die jungen Blätter der Eichen im Park rascheln und riss die Blüten von einem blühenden Pflaumenbaum.
    Seine Wangen waren feucht, und er drehte sich nicht um, als ich mich neben ihn setzte, streckte aber schweigend eine Hand aus und griff nach meiner. Wir saßen eine Weile da und betrachteten das leuchtende Grün der Eichen und zwei kleine Jungen, die halbherzig einen Fußball vor sich herkickten. Nach einer Weile sagte er: »Déjà-vu, was?«
    Ich drückte seine Hand. »Ja.« Das letzte Mal, als wir so zusammengesessen hatten, war an einem Februarnachmittag vor vier Jahren gewesen, und die Blätter der Eichen hatten das stumpfe Grün des Spätsommers gezeigt. Matt hatte blass und elend ausgesehen und unter dem Jetlag gelitten. Ich hatte mir verzweifelt gewünscht, ihn in den Arm nehmen oder etwas Tröstliches sagen oder irgendetwas tun zu können, aber die fünfjährige Kluft zwischen uns hatte das verhindert.
    Kim kam den Weg entlang, setzte sich auf seine andere Seite und schob den Rock unter ihre Schenkel. »Hey«, sagte sie.
    »Hey, Kröte«, erwiderte Matt.
    »Wie läuft es da drinnen?«, fragte ich.
    »Großartig«, versetzte sie bitter. » Das gesellschaftliche Ereignis des Jahrzehnts.«
    Matt hob mit einem leisen, angestrengten Grunzen den rechten Arm und legte ihn um ihre Schultern.
    »Alle schwärmen davon, wie wundervoll sie war«, fuhr Kim fort. »Komisch, dass keiner zu ihr gegangen und ihr das ins Gesicht gesagt hat, als sie noch am Leben war.«
    »Das ist auf Beerdigungen nun mal so.«
    »Wenn mir noch einmal jemand erzählt, dass Krebs eine grausame, qualvolle Todesart ist, werfe ich ihm irgendwas an den Kopf«, verkündete sie hitzig. »Glauben eigentlich alle, wir hätten das nicht mitbekommen?«
    »Sie ist nicht daran gestorben«, entfuhr es mir, nachdem ich tagelang mit mir gerungen und dann beschlossen hatte, dass die Wahrheit niemandem half und ich besser den Mund hielt. Eine weise Entscheidung, doch leider bin ich eine absolute Niete, wenn es darum geht, den Mund zu halten.
    »Eh?«, kam es von Matt.
    »Sie ist nicht am Krebs gestorben; sie hat alle Tabletten geschluckt, die sie finden konnte, und die hat sie mit vierzig Jahre altem Portwein runtergespült. Sie hat einen Abschiedsbrief hinterlassen.«
    Beide Kings drehten sich um und starrten mich an.
    »Sie sagte, es wäre kein Selbstmord«, fuhr ich fort. »Sie wolle uns lediglich weitere Sterbebettszenen ersparen, und ob ich bitte die Beweise vernichten könnte. Sie hätte ihr Leben genossen, und sie würde uns alle sehr lieben. Also habe ich die Tablettenpackungen und die Flasche aufgesammelt und ins Abfallloch geworfen.«
    Auf diese Enthüllung folgte langes Schweigen, das Kim schließlich brach. »Gute Reise, Tante Rose«, sagte sie leise.

    »Was möchtest du zum Dinner?«, fragte Mum müde. Sie stützte die Ellbogen auf Tante Roses
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