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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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auf die Metropole werfen konnte, machte ihm wenig Eindruck; er hatte nur ein Gefühl von Reinheit beim Anblick der hohen weißen Gebäude, die er im frühen Morgenlicht von einem [41] Dampfer auf dem Hudson aus sehen konnte. Seine Gedanken waren schon so sehr mit Träumen über seine zukünftigen sportlichen Heldentaten in der Schule überlastet, dass er diesen Besuch als ein ziemlich lästiges Vorspiel zu dem großen Abenteuer sah. Das aber erwies sich als falsch.
    Monsignore Darcys Haus, ein altes verschachteltes Gebäude, lag auf einem Hügel oberhalb des Flusses, und sein Besitzer lebte dort, wenn er nicht gerade irgendeinen Teil der katholischen Welt bereiste, wie ein exilierter Stuartkönig, der auf seine Wiedereinsetzung wartet. Monsignore war damals vierundvierzig Jahre alt und sprühte nur so vor Energie; er war etwas zu stämmig für die richtigen Proportionen, seine Haare hatten die Farbe gesponnenen Goldes; er war ein glänzender und einnehmender Kopf. Wenn er in vollem Ornat, ganz und gar in Purpur gekleidet, einen Raum betrat, ähnelte er einem Sonnenuntergang von Turner und erregte Bewunderung und Aufmerksamkeit. Er hatte zwei Romane geschrieben: einen äußerst antikatholischen kurz vor seiner Konversion; den anderen fünf Jahre später, in dem er den Versuch unternahm, all seine geschickten Seitenhiebe gegen die Katholiken in noch geschickter versteckte Anspielungen gegen die Episkopalkirche zu verdrehen. Er hatte eine Leidenschaft für Rituale und war aufsehenerregend theatralisch, er liebte die Idee Gottes genug, um im Zölibat zu leben, und seinen Nachbarn auch.
    Kinder liebten ihn heiß, weil er selbst wie ein Kind war; junge Leute waren in seiner Nähe ausgelassen, weil er selbst noch ein junger Mann war und ihn nichts schockieren konnte. Am rechten Ort und zur rechten Zeit hätte er ein Richelieu sein können – doch wie die Dinge standen, war er [42] ein sehr moralischer, sehr religiöser (wenn auch nicht übermäßig frommer) Geistlicher, der ein großes Geheimnis um längst eingerostete »gute Drähte« machte und für alle Freuden des Lebens empfänglich war, wenn er sie auch nicht vollständig auskostete.
    Amory und er verstanden sich auf Anhieb – der joviale Prälat, der mit seiner eindrucksvollen Erscheinung auf jedem Diplomatenball hätte glänzen können, und der grünäugige junge Mann in seinen ersten langen Hosen waren schon nach halbstündiger Unterhaltung innerlich übereingekommen, wie Vater und Sohn miteinander zu reden.
    »Mein lieber Junge, seit Jahren warte ich darauf, dich endlich kennenzulernen. Nimm dir einen Sessel, und lass uns ein bisschen plaudern.«
    »Ich komme gerade aus der Schule – St. Regis, wissen Sie.«
    »Ja, deine Mutter hat mir davon erzählt – eine bemerkenswerte Frau; willst du eine Zigarette, du rauchst doch sicher. Ja, wenn du so bist wie ich, dann sind dir Naturwissenschaften und Mathematik sicher ein Greuel…«
    Amory nickte heftig.
    »Kann ich alles nicht ausstehen. Englisch und Geschichte auch nicht.«
    »Natürlich nicht. Eine Zeitlang wirst du die ganze Schule abscheulich finden, aber ich bin trotzdem froh, dass du nach St. Regis gehst.«
    »Wieso?«
    »Weil es eine Schule für Gentlemen ist und dich die Demokratie noch nicht zu fassen kriegt. Das kommt noch früh genug auf dem College.«
    [43] »Ich möchte nach Princeton gehen«, sagte Amory. »Ich weiß nicht, wieso, aber ich stell mir die Harvard-Leute alle als Weichlinge vor, so wie ich früher war, und die aus Yale tragen alle weite blaue Pullover und rauchen Pfeife.«
    Monsignore schmunzelte.
    »Ich war auch dort, musst du wissen.«
    »Ach, aber Sie sind anders – Princeton stell ich mir lässig vor, gutaussehend und aristokratisch – wie einen Frühlingstag, wissen Sie? Harvard klingt so nach Eingesperrtsein…«
    »Und Yale ist wie November, kühl und tatendurstig«, vollendete Monsignore.
    »Genau.«
    Sie hatten sich blitzschnell in eine Vertrautheit begeben, aus der sie nicht wieder auftauchten.
    »Ich war immer für ›Bonnie Prince Charlie‹«, verkündete Amory.
    »Ja, natürlich – und für Hannibal…«
    »Ja, und für die Südstaatenkonföderation.« Er hatte Zweifel daran, ob er ein irischer Patriot sein sollte – Ire zu sein hatte für ihn einen Beigeschmack des Gewöhnlichen –, doch Monsignore versicherte ihm, dass die Iren ganz reizende Leute seien und das romantische Irland eine verlorene Sache, das ihm stets ein besonderes Anliegen sein solle.
    Nach einer
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