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Diener des Boesen

Diener des Boesen

Titel: Diener des Boesen
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zustimmen«, sagte Wycliffe mit schmeichelnder Stimme, »dass es Sündern nicht gestattet sein sollte, große Reichtümer zu besitzen?«
    »Im Grunde schon«, erwiderte Neville und konzentrierte sich weiter auf den Weinkelch, »aber wer soll entscheiden, ob jemand ein Sünder…«
    »Und Ihr seid außerdem der Ansicht, dass viele der hochrangigen Geistlichen der Kirche ein sündiges Leben führen?«
    Neville dachte an die Verderbtheit, deren Zeuge er in Rom geworden war, und an die Verfehlungen vieler Kardinäle und Päpste. Er antwortete nicht, sondern füllte sich bedächtig Wein nach.
    Am anderen Ende des Tisches wechselten Courtenay und Tusser einen Blick.
    »Die Verderbtheit der hohen Geistlichen der Kirche ist wohlbekannt«, sagte Margaret. »Sogar einige Päpste haben versucht, den schlimmsten Missbrauch…«
    »Und woher weißt du plötzlich so genau über diese Dinge Bescheid?«, fragte Thomas.
    »Man muss nicht sonderlich gebildet sein, um zu wissen, dass viele Bischöfe und Äbte dem Laster verfallen sind«, sagte Tusser, und die drei Geistlichen nickten zustimmend.
    Neville warf Tusser einen argwöhnischen Blick zu, doch der Verwalter sonnte sich stattdessen lieber im dankbaren Lächeln seiner Herrin. Er nickte, zufrieden, dass er seine Meinung kundgetan hatte, und beschloss, es damit bewenden zu lassen.
    »Ihr seid doch sicher kein Verteidiger der Kirche, Lord Neville«, sagte John Ball. »Schließlich habt Ihr Eure heiligen Gelübde widerrufen, um ein weltliches Leben als Edelmann zu führen.«
    »Als Edelmann kann ich Gottes Auftrag besser erfüllen denn als Priester«, fuhr Neville ihn an.
    Ball lachte leise und ungläubig. »Wie schön für Euch, Lord Neville.«
    Neville unterdrückte eine Welle von Schuldgefühlen, die in ihm aufsteigen wollte. Dass er den Orden der Dominikaner verlassen hatte, war die richtige Entscheidung gewesen. Als Edelmann hatte er viel besseren Zugang zu den Kreisen, die am englischen Hof ihr Teufelswerk betrieben. Er suchte nach Worten, um dem selbstgefälligen Priester zu erklären, warum er diese Wahl getroffen hatte, doch dann begnügte er sich lediglich mit einem feindseligen Blick in Balls Richtung. Ihm war wieder eingefallen, wo er ihn schon einmal gesehen hatte – in Chauvigny, in Frankreich, wo der Geistliche in aller Öffentlichkeit ketzerische Reden gehalten hatte. Damals war Wat Tyler ebenfalls anwesend gewesen.
    »Womöglich ist es Euch schwergefallen, das Gelübde der Armut einzuhalten?«, fragte Ball und erwiderte ungerührt Nevilles Blick. »Oder das der Gehorsamkeit? Ihr führt jetzt ein wesentlich luxuriöseres Leben, als es Euch als dominikanischer Mönch zustand, nicht wahr?«
    »Mein Gemahl ist lediglich seinem Gewissen gefolgt«, sagte Margaret, in der Hoffnung, Thomas’ Wut beschwichtigen zu können, ehe er die Beherrschung verlor. Sie warf Wycliffe einen warnenden Blick zu.
    »Wir können es Lord Neville nicht zum Vorwurf machen, dass er aus einer Kirche ausgetreten ist, die so sehr der Verderbtheit anheimgefallen ist«, sagte Wycliffe besänftigend und erwiderte Margarets Blick. »Eher sollten wir ihn dazu beglückwünschen.«
    »Warum legt dann nicht auch Ihr Eure geistlichen Gewänder ab, Abtrünniger?«, fragte Neville.
    »Ich kann mit ihnen mehr erreichen als ohne sie«, sagte Wycliffe, »genauso wie Ihr an Lady Margarets Seite besser aufgehoben seid.«
    Neville wandte sich wieder seinem Weinkelch zu und nahm einen tiefen Schluck daraus. Warum hatte er nur das Gefühl, als würden sie mit ihm spielen wie mit einem Fisch am Haken?
    »Herr«, meldete sich Jack Trueman zu Wort, der bisher geschwiegen hatte, »darf ich dazu etwas sagen?« Er fuhr fort, ohne eine Antwort abzuwarten. »Auch ich bin der Meinung, dass gegen den Niedergang der Moral bei den hochrangigen Geistlichen der Kirche vorgegangen und ihr auf unrechtmäßige Weise erworbener Reichtum unter den Bedürftigen verteilt werden muss. Jesus selbst lehrt uns, dass es besser ist, den Reichtum den Armen zu schenken, anstatt ihn für sich selbst anzuhäufen.«
    Die Männer am Tisch nickten, sogar Neville, wenn auch zögernd, da er sich fragte, worauf Trueman hinauswollte. Für einen Lollarden klangen seine Worte erstaunlich vernünftig.
    »Aber«, sagte Trueman, »vielleicht können wir sogar noch mehr tun, um die Not der Armen und der Landarbeiter, die die Felder bestellen und das Getreide ernten, zu lindern.«
    »Mir war nicht bekannt, dass die Landarbeiter ›Not‹ leiden«, erwiderte
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