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Diener des Boesen

Diener des Boesen

Titel: Diener des Boesen
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Neville.
    »Ihr habt nie das Leben eines Bauern geführt«, sagte Trueman sanft. »Ihr könnt daher nicht wissen, ob sie nicht nachts über ihr Los Tränen der Verzweiflung vergießen.«
    »Vielleicht«, mischte sich nun auch Wat Tyler in das Gespräch ein, »ist Tom ja der Meinung, dass sie tagsüber so hart auf den Feldern arbeiten, dass sie nachts nur noch in tiefen Schlaf sinken können.«
    »Unsere Brüder, die Bauern, schlafen«, warf Wycliffe ein, bevor Neville etwas erwidern konnte, »und sie träumen. Und wovon träumen sie? Von der Freiheit!«
    »Der Freiheit?«, sagte Neville. »Freiheit wovon? Sie haben Land, sie haben ihre Häuser, ihre Familien. Ihnen fehlt es an nichts…«
    »Außer an dem Recht, über ihr Schicksal selbst bestimmen zu können«, fiel Wycliffe ihm ins Wort. »Die Möglichkeit, ihren Weg frei zu wählen. Was wisst Ihr schon über die Mühen und Ängste der leibeigenen Männer und Frauen in diesem Land, Lord Neville?«
    Neville erstarrte. Beinahe dieselben Worte hatte er aus dem Mund von Etienne Marcel gehört, dem Vorsteher der Kaufleute von Paris, bevor dieser die Pariser in einem Aufstand gegen die Kirche und den Adel angeführt hatte, der von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen war. Viele Tausende hatten dabei ihr Leben lassen müssen. Nicht nur die Irregeleiteten, die gegen ihre Herren aufbegehrt hatten, sondern auch viele Unschuldige. Neville erinnerte sich an das furchtbare Blutbad, dessen Zeuge er auf seiner Reise nach Paris geworden war, die ermordeten und verstümmelten Leichen der Familie Lescolopier. Marcel und nun auch Wycliffe hatten Reden gehalten, die zu viel Leid und Tod führten, niemals jedoch zu Verbesserungen.
    »Gebt acht, Meister Wycliffe«, sagte er leise, »denn ich werde nicht zulassen, dass in meinem Haus aufrührerische Worte gesprochen werden!«
    Courtenay blickte sich unbehaglich am Tisch um. »Die Ordnung der Gesellschaft ist von Gott bestimmt«, sagte er. »Wie können wir uns da eine andere wünschen? Oder sie verbessern wollen?«
    »Es gibt Gerüchte«, sagte Jack Trueman, »dass nicht nur kirchliche Würdenträger ihren Reichtum auf Kosten der Armen mehren, sondern auch viele weltliche Edelleute in Saus und Braus leben, während ihre Leibeigenen die größte Not leiden.«
    »Verfügt Ihr über Männer, die an das Land von Halstow Hall gebunden sind und Euch als Herrn unterstehen, Lord Neville?«, fragte Wycliffe. »Habt Ihr nie darüber nachgedacht, sie aus den Ketten ihrer Leibeigenschaft zu befreien?«
    »Genug!« Neville erhob sich. »Wycliffe, ich kenne Euch und ich weiß, was Ihr seid. Mit Widerwillen biete ich Euch heute Nacht ein Dach über dem Kopf und auch nur, weil Ihr unter dem Schutz des Herzogs von Lancaster steht. Aber ich würde es begrüßen, wenn Ihr bei Morgengrauen weiterreistet.«
    Wycliffe stand ebenfalls auf. »Die Welt verändert sich, Thomas«, sagte er. »Steht dem Wandel nicht im Weg.«
    Er wandte sich Margaret zu und verneigte sich vor ihr.
    »Mylady«, sagte er, »ich danke Euch für Eure Gastfreundschaft. Wie Euer Gemahl wünscht, werden ich und die Meinen uns morgen sehr früh auf den Weg machen. Ich möchte mich deshalb jetzt schon von Euch verabschieden.« Er hielt inne.
    »Lebt wohl, hochverehrte Dame. Möge der Heiland Euch behüten.«
    »Und Euch ebenso«, erwiderte Margaret leise.
    Wycliffe nickte, sah Margaret noch einen Moment lang an und verließ dann unter dem Rascheln seiner schwarzen Gewänder den Raum.
    John Ball und Jack Trueman verbeugten sich ebenfalls vor Margaret und Neville und eilten hinter ihrem Meister her.
    Wütend darüber, dass er vor Courtenay und Tusser das Gesicht verloren hatte, wandte sich Neville an Tyler.
    »Und ich nehme an, du stimmst mit Wycliffes Unsinn überein?«
    Tyler erwiderte ungerührt Nevilles Blick. »Mir geht es ebenfalls darum, die Not unserer armen Brüder zu lindern«, sagte er. »Ja, Tom, ich stimme mit Wycliffes ›Unsinn‹ überein.«
    »Aber wie kannst du behaupten, Wycliffe würde im Namen des Heilands handeln?«
    »Wycliffe hat sein Leben der Aufgabe gewidmet, die Armen und Unterdrückten aus der Abhängigkeit von ihren weltlichen und kirchlichen Herren zu befreien. Hat denn Jesus Christus nicht dafür sogar sein Leben gegeben?«
    »Ihr werdet Tod und Zerstörung über dieses Königreich bringen, Wat«, sagte Neville mit ruhiger Stimme, »wie einst Marcel über Paris.«
    Tylers Mund zuckte, als wollte er etwas erwidern, doch er sagte nichts.
    Schließlich
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