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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba
Autoren: Yael Guiladi
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zu
seinen Füßen schlummerte, ihm zur Seite gesprungen war und ihn
wachrüttelte. Doch ohne Erfolg. Wie von Sinnen vor Angst, war er nicht
in der Lage gewesen, zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden.
Seine Leibärzte waren ihm zur Seite geeilt, hatten ihm den Puls
gefühlt, ins Antlitz gestarrt, von Aderlaß geredet. Aber in seiner
Panik hatte er nur wild um sich geschlagen, sie verscheucht, als seien
auch sie Schlangen, die zischend ihre Häupter erheben und ihn vergiften
würden. Mit Mustaphas Hilfe gelang es den Ärzten schließlich, ihm ein
Beruhigungsmittel aus Mohnsamen zu verabreichen, und als seine Furcht
abgeklungen war, verfiel er in einen tiefen, betäubten Schlaf. So war
es gekommen, daß seine Sinne, die ansonsten so scharf und wach waren,
daß sie ihn beim geringsten Anzeichen einer Gefahr warnten, ebenfalls
geschlummert hatten und daß sein Ohr die Geräusche verstohlener
Bewegungen in der Ebene unterhalb des Lagers überhört hatte. Als er am
nächsten Morgen seine Soldaten in die Schlacht führte, gerieten ihre
Pferde ins Taumeln und fielen in einen perfekt getarnten Graben, den
man frisch quer über die Felder gezogen hatte, die sein Heer überqueren
mußte, um die Festung von Simancas zu belagern. Dann hatten sich
Ramiros Soldaten von ihrem erhöhten Standpunkt aus auf sie gestürzt und
ein grausames Gemetzel unter ihnen angerichtet.
    Als er sich wieder an dieses blutige Massaker erinnerte,
verwandelte sich Abd ar-Rahmans Scham abrupt in eiskalten Zorn. Warum
hatten es all seine Ärzte nach all den Jahren trotz seiner wiederholten
flehentlichen Bitten und Forderungen und trotz der ungeheuren
Geldsummen, die er ihnen zur Verfügung gestellt hatte, nicht geschafft,
das Geheimnis des Großen Theriak zu enthüllen? Es war höchste Zeit, daß
er einen oder zwei von ihnen hinrichten ließ, vorzugsweise diejenigen,
die bei Simancas Zeugen seiner schändlichen Schwäche gewesen waren, die
bis dahin ein eifersüchtig gehütetes Geheimnis gewesen war, das er nur
mit Abu Ilyas, seinem Leibarzt, und seinem getreuen Mustapha teilte.
Ja, er würde ihre blutigen Häupter auf Stangen durch die Straßen von
Córdoba tragen lassen, um die Überlebenden zu größerem Eifer
anzuspornen. Es war unvorstellbar, daß so viele berühmte Gelehrte es
nicht geschafft hatten, alle Pflanzenarten festzustellen, die für die
Zubereitung dieses Gegengiftes benötigt wurden, das die alten Griechen
für ein unfehlbares Heilmittel gegen Schlangengift gehalten hatten.
    Voller Tatendrang sprang Abd ar-Rahman mit Schwung aus dem
Bad. Er stampfte ungeduldig mit dem Fuß auf, während ihn Mustapha mit
einem rauhen Handtuch abrieb, ihm das Haar kämmte und ein, zwei
silberne Fäden aus dem säuberlich viereckig gestutzten Bart schnitt,
ehe er ihn mit Moschus parfümierte. Rasch schlüpfte der Kalif in das
schneeweiße Gewand, das ihm der Eunuch hinstreckte, zog dann aus der
Ebenholzschatulle, die dieser ihm hinhielt, einen einzigen Ring hervor,
dessen riesiger Smaragd das erste Glied seine Zeigefingers, an den er
ihn steckte, völlig verdeckte.
    Während Mustapha Parfüm auf die Hände seines Herren träufelte,
erkundigte er sich vorsichtig: »Den türkisblauen Umhang oder den
scharlachroten?«, obwohl er die Vorliebe seines Herren bereits kannte.
Der wählte unweigerlich stets einen Farbton, der den bläulichen
Schimmer seiner dunkelgrauen Augen herausstrich, das Erbe der
gefangengenommenen fränkischen Prinzessinnen, die seine arabischen
Vorfahren verzaubert hatten.
    »Den türkisen«, erwiderte Abd ar-Rahman knapp. Seine Finger
zuckten ruhelos, während Mustapha den Umhang so befestigte, daß die
Pfauen, die mit goldenen und silbernen Fäden prächtig gestickt den
Umhang säumten, einander auf der mächtigen Gestalt seines Herren von
Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden.
    »So«, sagte der Eunuch schließlich und beugte sich tief
herunter, um noch den Saum zu richten, ehe er wieder in die Rolle der
Leibwache seines Oberherrn schlüpfte.
    Kalif Abd ar-Rahman III. al-Nasir, der Herrscher der
Gläubigen, richtete sich zu seiner ganzen imposanten Größe auf und
schritt mit königlicher Würde den Marmorkorridor entlang auf den großen
Empfangssaal zu, wo sein Hofstaat ihn erwartete.
    Stille senkte sich über die versammelte Gesellschaft, als sich
die schweren Türen aus Zedernholz vor ihm öffneten. Prinzen, Höflinge
und Würdenträger seines Reiches in ihren schimmernden Festgewändern
warfen sich ehrfürchtig nieder, als
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