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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba
Autoren: Yael Guiladi
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ar-Rahman
hinter Da'uds bescheidener Haltung auch ein durchaus gefestigtes
Selbstvertrauen, das sich aus seinen großen intellektuellen Fähigkeiten
nährte, und einen brennenden Ehrgeiz, der längst nicht gestillt war.
Warum auch nicht? Er war der Sohn eines der reichsten Seidenhändler von
Córdoba, hatte die beste Erziehung genossen, die im ganzen Westen zu
haben war, ein Schlüssel, der ihm viele Türen öffnen würde –
wenn er erst die Fertigkeit erworben hatte, ihn im Schloß umzudrehen.
Mit der Zeit würde er das sicherlich lernen, doch diese Zeit war jetzt
noch nicht gekommen. Im Augenblick paßten Da'uds jugendlicher Ehrgeiz,
sein ungeheures Wissen und sein Mangel an Erfahrung mit dem Leben bei
Hof hervorragend in die Pläne des Kalifen.
    »Nun, junger Mann«, begann Abd ar-Rahman liebenswert, als
Da'ud wieder aufrecht vor ihm stand. »Euer Vater teilte mir mit, daß
Ihr gründliches Wissen in der griechischen und lateinischen Sprache
erworben habt?«
    »So gründlich, wie es mir meine Lehrer vermitteln konnten und
wie es meine geringen Fähigkeiten zuließen«, erwiderte Da'ud mit
falscher Bescheidenheit, die Abd ar-Rahman sofort durchschaute.
    »Persisch?«
    »Angemessene Kenntnisse.«
    »Und Hebräisch und Aramäisch natürlich.«
    Da'ud nickte zustimmend.
    »Und Ihr müßt auch gründlich vertraut sein mit den Schriften
unserer großen arabischen Heilkundigen Hunayn ibn Ishaq, Ali ibn Rabban
al-Tabari und Muhammad ibn Zakariyya al-Razi?«
    »Ich kenne sie.«
    »Hervorragend.« In herzlichem, vertraulichem Ton fuhr der
Kalif fort: »Ich suche schon lange einen Gelehrten Eurer Art, der in
der Lage wäre, einen Vergleich zwischen den alten griechischen
Schriften des Hippokrates und des Galen, den Vätern der antiken
Medizin, und den verschiedenen arabischen Übersetzungen anzustellen,
die im Laufe der Jahre angefertigt wurden.«
    »Das ist ein außerordentlich glücklicher Zufall, denn ich habe
oft in Erwägung gezogen, mich einer solchen Studie zu widmen. Viele
Geheimnisse sind uns im Laufe der Jahrhunderte verlorengegangen, und es
ist mein Ehrgeiz, sie wiederzuentdecken, auf daß die Menschheit Nutzen
ziehe aus diesem großen Schatz des Wissens.«
    »Soviel hat mir Euer Vater mitgeteilt, und ich denke, daß
dieses Euer Ziel höchstes Lob und äußerste Unterstützung verdient, um
so mehr, als es sich so sehr mit dem meinem deckt. Ich interessiere
mich besonders für die beiden Zutaten des Großen Theriak, die uns heute
noch ein Geheimnis sind. Deswegen bin ich geneigt, Euch eine großzügige
Summe zur Verfügung zu stellen, unter der Bedingung, daß Ihr Euch
ausschließlich der Suche nach diesen Ingredienzen verschreibt. Wenn Ihr
diese Aufgabe zu meiner Zufriedenheit erfüllt, liegt eine glänzende
Zukunft vor Euch.«
    Da'ud errötete vor Stolz und Vergnügen darüber, eine so
unerwartete Ehre zu erfahren. Während seiner langen Studienjahre hatte
er oft darüber nachgedacht, wie er das Vertrauen des Kalifen gewinnen
könnte, aber nicht einmal in seinen kühnsten Träumen hätte er zu hoffen
gewagt, daß er sich die Gunst des Hofes erwerben würde, ehe er sich
einen soliden Ruf als Gelehrter und Heilkundiger geschaffen hatte.
Niemals hätte er sich vorzustellen gewagt, daß ihm diese Ehre so bald
schon und scheinbar mühelos zuteil würde. Sein Hochgefühl wurde durch
die Herausforderung an seine Gelehrsamkeit in schwindelerregende Höhen
gesteigert, und er war sich seiner Fähigkeit, die Anforderungen des
Kalifen zu erfüllen, sicher – so sicher, daß er keinen
Gedanken auf die Möglichkeit – oder die
Konsequenzen – eines Versagens verschwendete. Ohne auch nur
einen Augenblick zu zögern, nahm er Abd ar-Rahmans Angebot an.
    »Ich bin zutiefst und aufrichtig dankbar für die ungeheure
Ehre, die Ihr mir zuteil werden laßt, o Herrscher der Gläubigen. Ich
werde mein Möglichstes tun, um mich des mir erwiesenen großen
Vertrauens würdig zu erweisen.«
    »Daran habe ich keinen Zweifel«, erwiderte Abd ar-Rahman, in
dessen Stimme sich jetzt eine stählerne Härte geschlichen hatte. »Alle
Menschen Eures Volkes, die wir bisher in unsere Dienste nahmen, haben
sich als fähige, ehrliche und vor allem treue Diener des Glanzvollen
Hauses der Omaijaden erwiesen. In Eurem Falle ist das besonders
wichtig, da ich von Euch verlangen muß, daß Eure Arbeit ein
eifersüchtig gehütetes Geheimnis bleibt, das nur Euch und Eurem Vater
bekannt ist. Ihr habt jederzeit freien Zugang zu unserer Bibliothek,
aber
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