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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba
Autoren: Yael Guiladi
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ihr Herrscher erschien. Die ihm am
nächsten standen, küßten den glänzenden Saum seines Umhangs. Mit
liebenswürdiger Herablassung richtete er sie wieder auf, nahm ihre
Huldigungen und Beifallsbekundungen gnädig entgegen, während er sich
durch die Reihen bewegte. Manche ließen ihre glühende Bewunderung der
luftig sich emporschwingenden Hufeisenbögen hören, andere staunten über
die schleierzarten Verzierungen, die die Kapitelle der Säulen
schmückten, die diese Bögen stützten. Aber die größte Begeisterung
empfanden alle für die Ornamente, die vom Boden bis zur Decke in den
Marmor gemeißelt waren, eine endlose und doch vollkommen geordnete
ständig wiederkehrende Reihung von Stämmen und Ästen, Stengeln und
Blättern, Knospen und Ranken, die sich wie Liebende umeinander
schlangen, eine überschäumende Feier des unendlichen Lebens.
    Nun bewegte sich Abd ar-Rahman zu den Tischen, die mit
köstlich gewürztem Fleisch und Pasteten und allerlei Naschwerk, mit
saftigen Früchten und duftenden Weinen beladen waren, und zupfte eine
einzelne Traube aus einem goldenen Füllhorn. Dies war das Zeichen, daß
nun das Festmahl beginnen konnte. Mit ungeheurem Stolz angesichts
seiner Errungenschaften ließ der Kalif den Blick über die angesehenen
Persönlichkeiten seines Reiches schweifen, einen glänzenden Hofstaat,
zu dem viele herausragende Philosophen, Dichter, Sprachkundige und
Musiker, Heilkundige, Mathematiker, Astronomen und Wissenschaftler
gehörten, die im ganzen Mittelmeerraum, wenn nicht sogar weit darüber
hinaus ihresgleichen suchten. Mit einer einzigartigen Mischung aus
brutaler Gewalt und aufgeklärter Toleranz – ein Erbe seiner
gemischten Herkunft? fragte er sich manchmal – hatte er
erfolgreich Spanier, Berber und Araber, Christen, Moslems und Juden zu
einer Einheit verschmolzen, all ihre Energien und Talente zum größeren
Ruhm seines Kalifats zusammengeführt. Niemandem war deutlicher bewußt
als ihm, daß nur durch den Erhalt dieser so geschaffenen Einheit die
herrschende Minderheit der Omaijaden ihre Gewalt über das ungeheuer
große und vielgestaltige Reich bewahren konnte. Für einen flüchtigen
Augenblick beflügelte ihn ungetrübtes Hochgefühl. Er genoß diese so
seltene Erfahrung in vollen Zügen, bis sein durchdringender Blick, bei
Hof so wach wie auf dem Schlachtfeld, auf die Gestalt des Arztes Abu
'Amr fiel, der ihn nach Simancas begleitet hatte. Halb verdeckt war er
hinter einer Säule am anderen Ende des Saales ins Gespräch mit dem
knollennasigen Abu Bakr vertieft, einem spanischen Christen, der sich
zum Islam bekehrt hatte und durch seine Ehe mit dem herrschenden Haus
von Leon verbunden war. Zu seinem großen Glück war Abu Bakr auch der
tüchtigste Steuereintreiber des Kalifats, eine Stellung, die ihn
praktisch unverwundbar machte.
    Mit seinem untrüglichen Gespür für Verschwörungen fühlte Abd
ar-Rahman, daß die beiden kein unschuldiges Gespräch über den
Gesundheitszustand Abu Bakrs führten. Es konnte für die Intensität
ihrer Unterhaltung nur eine einzige Erklärung geben. Zwanghaft kehrten
seine Gedanken nach Simancas zurück, immer wieder nach Simancas. Es
bestand kein Zweifel. Das war die Konsequenz, die Katastrophe, die er
stets gefürchtet hatte: von denen verraten zu werden, die ihm am
nächsten standen, indem sie seinen Feinden seine Schwäche offen
darlegten. Hatte nicht Simancas bewiesen, was für eine mächtige Waffe
solches Wissen sein konnte? Nun, da er darüber nachdachte, war dies
wohl auch der Grund für die ›Unfähigkeit‹ seiner Gelehrten, alle
Zutaten des Großen Theriak festzustellen. Das ganze vergangene Jahr
über hatten Ramiros Leute sie unzweifelhaft bestochen, ihn mit lahmen
Entschuldigungen hinzuhalten, so daß niemals ein Heilmittel gegen seine
Phobie gefunden würde. Die morgige Hinrichtung zweier Ärzte, die in
Simancas anwesend waren – und es war immer noch Zeit genug,
auch Abu 'Amr auf diese Liste zu setzen, – war schön und gut
als Strafmaßnahme und als unheilvolle Warnung an alle anderen, aber sie
löste sein Problem nicht. Er mußte Gelehrte und Ärzte finden, deren
Treue über alle Zweifel erhaben war. Ruhelos schweifte sein Blick über
die lächelnde, schmeichelnde, unterwürfige Menschenmenge, die ihn
umschwärmte, auf der Suche nach Männern, deren Sicherheit und Wohlstand
nur von seiner herrscherlichen Gnade abhingen, nach vertrauenswürdigen
Untertanen, die weder ehrgeizige Absichten auf die Herrscherwürde
hegten,
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