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Die Zypressen von Cordoba

Die Zypressen von Cordoba

Titel: Die Zypressen von Cordoba
Autoren: Yael Guiladi
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ich
dich immer noch unter meinen Patienten verbergen.«
    »Und Amram?«
    »Ich hoffe, es wird gar nicht so weit kommen.«
    Den ganzen Tag über ging Leonora in fieberhafter Unruhe im
Haus auf und ab, schaute in Amrams Zimmer nach, ob er schon wieder wach
war, spähte dann auf den Zugangswegen zum Landhaus nach Reitern, die
sich näherten, um ihn hier aufzustöbern. Bei Einbruch der Nacht war
weder das eine noch das andere geschehen. Erschöpft sank sie in einen
unruhigen Schlaf, in dem immer wieder Pferde vor ihr aufstiegen, ihre
großen gelben Zähne bleckten und sie mit ihren blutigen Hufen zu Tode
trampelten. Natan hörte ihr leises Stöhnen, ging zu ihr und weckte sie
aus ihren Alpträumen.
    Amram schlief beinahe vierundzwanzig Stunden. Als er im
Morgengrauen des nächsten Tages erwachte, brauchte er eine Weile, ehe
er begriff, wo er war und warum er sich hier aufhielt. Kaum war er
jedoch wieder ganz bei Sinnen, da sprang er schon mit der im Augenblick
gewonnenen Wachheit des kampferfahrenen Kriegers auf und suchte seine
Frau und seinen Bruder. Er weckte sie mit militärischer Schroffheit und
begann, nachdem er der verängstigten Leonora einen kleinen Kuß gegeben
hatte, unverzüglich kurz und knapp von seinem Fehlschlag zu berichten.
Dann hielt er einen Augenblick inne, um seine Gedanken zu ordnen, ehe
er seinen Lieben seine Schlußfolgerungen unterbreitete. »Mit einem
Wort, ich bin Opfer meiner eigenen Intrigen geworden. Die Männer, die
ich in der Vergangenheit mit solchem Erfolg geführt habe, kannten meine
Vorgehensweise zu gut, als daß sie mir noch vertraut hätten. Das hatte
ich nicht in Betracht gezogen. Und das hat all unsere Träume zunichte
gemacht: Träume von einem unabhängigen Reich, das von einem Juden für
Juden regiert wird. Mein zweiter Fehler war, daß ich den Prinzipien
untreu geworden bin, auf denen unser großes Haus aufbaut –
Diskretion, bescheidenes Auftreten und ruhige Würde. Jedesmal, wenn ich
den goldenen Umhang umlegte, fühlte ich mich unwohl, als spräche unser
Großvater, der große Da'ud, eine Warnung gegen eine so offensichtliche
Zurschaustellung meiner Macht aus. Wann immer ich in Granada das Haus
eines Würdenträgers betrat und so stolz war, daß sie mich als einen der
Ihren akzeptierten, mußte ich ein kleines Unwohlsein unterdrücken, eine
tiefsitzende Furcht, mein Stolz könne einem Verrat an unseren
angestammten, geerbten Werten gleichkommen. Mein Stolz und mein
übermäßiger Ehrgeiz. Und doch bereue ich nicht, daß ich versucht habe,
ein unabhängiges Gebiet für mein Volk zu erobern. Hätte ich es nicht
getan, ich hätte mir den Rest meines Lebens Vorwürfe gemacht, daß ich
eine solch hervorragende Gelegenheit hätte verstreichen lassen, Da'uds
Traum zu verwirklichen.
    So wie die Dinge jetzt liegen, habe ich den einzigen Vorteil
verwirkt, den ich meinen Feinden voraus hatte: das Vertrauen meines
Herrschers. Doch seltsam genug, ich bedaure auch das nicht. Nur wenige
kennen so gut wie ich die tief verwurzelte Schwäche dieses Landes, dem
unsere Familie seit drei Generationen ehrenvoll dient. Diese Schwäche
werden die Feinde letztendlich ausnutzen, wenn nicht heute, so doch in
den kommenden Jahren. Aasgeier werden über dem Reich kreisen und auf
den richtigen Augenblick lauern, um sich herabzustürzen. Von Süden
werfen die Moslems Nordafrikas begehrliche Blicke. Im Norden lauern die
Christen von Kastilien, Leon und Barcelona. Für uns, die Familie Ibn
Yatom ist die Zeit gekommen, unsere Zukunft anderswo zu suchen und wie
immer unserem Volk den Weg zu bereiten, das im Laufe der Zeit durch die
Umstände gezwungen sein wird, in unsere Fußstapfen zu treten.
    Natan, in dir soll die medizinische Tradition der Familie
fortleben. Ich verzichte von nun an auf das Streben nach Macht und gebe
mich mit anderen Tätigkeiten zufrieden, die zum Erbe unserer Familie
gehörten und die ich bisher vernachlässigt habe. Es ist viel zu tun,
wenn wir das Wissen unserer Vorväter und seine Vervollkommnung durch
muslimische Gelehrte sichern und mit uns in die finsteren Länder des
Christentums tragen wollen. Da'ud hat damit angefangen, wurde dann aber
von anderen Dingen abgelenkt. Unsere Mutter hat diese Aufgabe, soweit
es ihr möglich war, mit ihren sorgfältigen Übersetzungen fortgeführt.
Ich möchte das Unterfangen wieder aufnehmen und mit Hilfe unserer
jüdischen Glaubensbrüder allerorten das Wissen der Menschheit all denen
zugänglich machen, die es danach
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