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Die Zwerge

Die Zwerge

Titel: Die Zwerge
Autoren: Markus Heitz
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auf das Sterben. Eingehend betrachtete er Glandallins vom Todeskampf verzerrte Züge und sog die Eindrücke neugierig in sich auf.
    Erst als er sich sicher war, dass alles Leben aus dem letzten Hüter des Steinernen Torwegs gewichen war, stand er auf.

I
     
     
    Das Geborgene Land, das Zauberreich Ionandar
im Jahr des 6234sten Sonnenzyklus,
Frühling
     
    M it lautem Klingen tanzte der Schmiedehammer auf dem glühenden Stück Eisen herum. Mit jedem Schlag wurde es runder und formte sich, bog sich der Gewalt aus Kraft und Geschick.
    Urplötzlich setzte das Konzert aus. Ein unzufriedenes Grummeln ertönte, während die Stahlkiefer einer Zange zuschnappten, das Stück packten und zurück in die Esse warfen. Der Schmied war mit dem Ergebnis seiner Arbeit nicht zufrieden.
    »Was machst du, Tungdil?«, fragte Eiden, der Pferdeknecht des Magus Lot-Ionan, voller Ungeduld und strich dem wartenden Vierbeiner über die Nüstern. »Soll unser Ackergaul ewig warten? Ich muss das Feld bestellen.«
    Der Zwerg mit dem kurz geschorenen braunen Bart tauchte die Hände in den Wassereimer und nutzte die kleine Unterbrechung, um sich vom Schmutz zu befreien. Sein gedrungener, nackter Oberkörper wurde von einer Lederschürze bedeckt, die Beine steckten in Lederhosen. Mit seinen kräftigen Fingern fuhr er sich durch die langen braunen Haare, um den Schweiß abzuwischen und sich bei der Gelegenheit etwas abzukühlen.
    »Das Eisen hätte dem Schimmel nicht gepasst«, lautete die kurze Erklärung. Tungdil betätigte den Blasebalg, dessen Fauchen in seinen Ohren wie das Atmen eines uralten Giganten klang. Die frische Luft verlieh den glühenden Kohlen feuriges Leben. »Gleich.«
    Der Schmied wiederholte die Prozedur und passte den eisernen Schuh an den Huf an. Als das Horn verbrannte, verschwand Tungdil in einer stinkenden, gelbweißen Wolke. Rasch kühlte er das Eisen in einem Eimer mit Wasser ab, trieb die Nägel in die vorgesehenen Löcher und setzte den Hinterlauf vorsichtig zu Boden. Er beeilte sich, von dem breiten, starken Pferd weg zu kommen, dessen Größe ihn mit Misstrauen erfüllte.
    Eiden lachte und streichelte das Tier. »Na, das hat der Kurze wieder gut hinbekommen, was?!«, sagte er zu dem Schimmel. »Komm, aber pass auf, dass du nicht über ihn stolperst.« Die beiden verschwanden aus der Schmiede, um so schnell wie möglich auf den Acker zu kommen.
    Der Zwerg streckte sich und schüttelte die muskulösen Arme aus, während er zur Esse ging. Die Gehässigkeiten des Knechts prallten an ihm ab. Er war sowohl verletzenden als auch nett gemeinten Spott gewohnt; der gehörte zu seinem Los, als einziger Zwerg unter den Menschen zu leben, wohl dazu.
    Angehörige seines Volkes sah man im Geborgenen Land so selten wie ein Goldstück am Wegesrand, und der Ruf der wenigen fahrenden Zwerge, die sich unterwegs als Schmiede und Werkzeugmacher verdingten, war nicht der beste. Sie galten als Sonderlinge und äußerst verschlossen, und wie er gehört hatte, war ihnen nur an Münzen und guten Preisen gelegen.
    Dennoch würde ich gern einem begegnen, dachte er. Sein Blick wanderte durch die aufgeräumte Werkstatt und über die zahlreichen Zangen und Hämmer, die geordnet in ihren Halterungen ruhten. Er könnte mir gewiss vieles über die fünf Zwergenstämme erzählen. Tungdil liebte das Halbdunkel der Schmiede, weil es die Schönheit der glimmenden Kohlen hervorhob.
    Wieder betätigte er den Blasebalg; der Luftstoß fachte die Flammen an und jagte Funken in den Schornstein. Ein breites Grinsen huschte über sein Gesicht. Der Zwerg stellte sich vor, dass rot leuchtende Punkte zum Schlot hinaus tanzten und bis zu den Sternen stiegen, um selbst Teil der Gestirne zu werden. Genauso viel Freude bereitete es ihm, den Hammer auf dem roten Eisen auf und ab springen zu lassen. Ob sie anders schmieden, als ich es tue?
    »Warum ist es in deiner Schmiede immer so dunkel?« Wie aus dem Nichts war Sunja aufgetaucht, die achtjährige Tochter der Magd Frala, ein aufgewecktes Kind, dem das Äußere Tungdils herzlich gleichgültig war.
    Der Zwerg grinste, sodass sich sein freundliches Gesicht in Falten legte. Er wunderte sich, wie schnell die Menschenkinder wuchsen. Es würde nicht mehr lange dauern, und sie wäre so groß wie er. »Katzen und kleine Kinder, man hört sie nie kommen.« Er warf ein Stück Eisen in die Esse. »Komm, wir lassen es glühen, und ich erkläre es dir.«
    Voller Begeisterung half das blonde Mädchen, den Blasebalg zu drücken, und
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