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Die zweite Nacht

Die zweite Nacht

Titel: Die zweite Nacht
Autoren: Natalie Rabengut
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einmal den kleinen Finger heben konnte.

    In der Nacht wachte ich auf und stellte zuerst mit Entsetzen fest, dass ich tatsächlich eingeschlafen war. Verwirrt richtete ich mich auf und blinzelte in das Licht der kleinen Leselampe. Frederik saß auf der Bettkante und streifte gerade sein T-Shirt über. Er wollte gehen – das fand ich sehr rücksichtsvoll und lächelte ihn an.
    Verlegen kratzte er sich über den Hinterkopf. »Habe ich dich geweckt?« Er sprach gedämpft und ich schüttelte den Kopf. Offenbar war er jetzt unschlüssig, was er tun sollte, denn er blieb sitzen.
    »Ist schon okay, du musst nicht bleiben. Gute Nacht.« Ich lächelte noch immer und war mir sicher, dass er den Weg bis zur Wohnungstür gewiss alleine finden würde. Stattdessen bedachte er mich kurz mit einem überraschten Blick, bevor er nickte.  
    »Gute Nacht.« Er stand auf, drehte sich noch einmal um und küsste mich auf die Stirn. Die Geste berührte mich irgendwie und ich sah verlegen nach unten, um seinen Augen auszuweichen.
    Ich wartete noch, bis ich hörte, wie meine Tür ins Schloss fiel, dann löschte ich das Licht und fiel in einen tiefen Schlaf.

2

    Am nächsten Morgen fühlte ich mich wie neugeboren. Ich schlug die Augen auf, war sofort wach, voller Tatendrang und hatte enorm gute Laune. Nachdem ich die Kaffeemaschine programmiert hatte, tänzelte ich ins Bad und genoss die Dusche in vollen Zügen.
    Unter dem heißen, prasselnden Wasserstrahl ließ ich den Kopf hängen und ein leichtes Ziehen in den Oberschenkeln erinnerte mich an die sportliche Betätigung der letzten Nacht. Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen und ich überlegte, ob ich Frederik ein regelmäßiges Arrangement anbieten sollte.  
    Frederik – eigentlich ein schöner Name. Vielleicht sollte ich meinen nächsten Protagonisten so nennen. Oder noch besser: Meinen nächsten Mörder. Während ich mir die Haare ausspülte, ließ ich mir die Idee durch den Kopf gehen.
    Plötzlich traf mich die Inspiration mit voller Wucht und ich beendete die Dusche. Ich warf mich in meinen Bademantel und wickelte das Handtuch um meine Haare, dann eilte ich in die Küche und griff nach meiner Kaffeetasse. Kaum hatte ich sie unter dem Auslauf positioniert, ging ich zum Schreibtisch im Wohnzimmer und betätigte den Start-Knopf an der Rückseite des Bildschirms. Bis der Kaffee durch gelaufen war, konnte ich ja schon einmal die Vorbereitungen erledigen.
    Mein Computer war sofort startklar und ich öffnete gierig wie ein Süchtiger ein leeres Textdokument.

    Die Klingel riss mich aus meiner Konzentration. Wie üblich wollte ich sie ignorieren. Doch wer immer mich da besuchte, schien es ernst zu meinen, denn er klopfte zusätzlich gegen meine Tür. Überrascht hob ich den Blick vom Bildschirm und nahm meine verspannten Schultern zur Kenntnis. Verdammt, ich musste wirklich mehr auf meine Körperhaltung beim Schreiben achten – aber wenn mich die Muse küsste, vergaß ich alles um mich herum.
    Wieder klopfte es und ich erhob mich mürrisch aus meinem Schreibtischstuhl. Genervt schlurfte ich zur Tür. Hoffentlich war es nicht diese Schnepfe aus dem dritten Stock, die schon wieder eine Mieterversammlung einberufen wollte, weil der Briefträger ihrer Meinung nach die Post zu lieblos in den Briefkasten stopfte. Das Leben musste herrlich sein, wenn man so viel Zeit hatte. Das Klopfen wollte einfach nicht aufhören und mit schmalen Augen riss ich die Tür auf.
    Frederik sah auf mich herunter und fragte: »Sollten wir darüber reden?«
    »Hm.« Ich dachte über seine Frage nach, als mein Magen auf einmal lautstark knurrte. So laut, dass es mir ehrlich gesagt peinlich war.  
    Verblüfft starrte Frederik mich an und sagte: »Vielleicht solltest du was essen.«
    Zum Dank für seinen hilfreichen Rat bedachte ich ihn mit einem finsteren Blick. Dann bemerkte ich, dass ich noch immer im Bademantel war und das Handtuch auf meinem Kopf thronte – es fühlte sich merkwürdig klamm und kalt an.
    »Moment, wie spät ist es?«, wollte ich wissen.
    Grinsend sagte er: »Fast fünf Uhr, du solltest also eigentlich ausgeschlafen sein.«
    »Blödmann.« Ich rieb mir mit der Hand über das Gesicht und hatte mit einem Mal eine Erklärung für meinen knurrenden Magen gefunden. Wie hatte ich es nur geschafft, den ganzen Tag vor dem Computer zu hocken? Mit einer knappen Bewegung beugte ich mich nach hinten und schielte zur Kaffeemaschine. Meine Tasse stand noch darunter und ich hatte die sichere Vermutung, dass
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