Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zweite Nacht

Die zweite Nacht

Titel: Die zweite Nacht
Autoren: Natalie Rabengut
Vom Netzwerk:
Hieroglyphen und war beim besten Willen nicht zu lesen. »Bingo, die Email ist von Bertram.«
    »Aha, kannst du sie lesen? Ich erkenne da nichts«, verkündete ich.
    »Dafür werden wir wieder den kleinen USB-Stick und deinen Computer brauchen «, klärte der Mann mich auf.
    »Okay, ich gehe ihn anmachen und setze Wasser für die Nudeln auf.« Damit marschierte ich zur Tür.
    »Warte mit dem Wasser noch. Wer weiß, was mein Bruder will.«
    »Ein guter Punkt, mein Lieber.«  
    Ich schaltete den Computer an und wartete auf Frederik. Er zog sich im Gehen den Pullover über den Kopf und stieß die Tür hinter sich mit dem Fuß zu. Dann stöpselte er den USB-Stick in meinen Computer und öffnete das Emailprogramm.
    Stumm saß ich in meinem Schreibtischstuhl und beobachtete das Schauspiel gebannt. Kaum hatte Frederik die Email angeklickt, zog sich ein Regenbogen über meinen Bildschirm, der sofort wieder verschwand.
    »Also Humor hat dein Bruder ja irgendwie«, kicherte ich vergnügt. Frederik bedachte mich nur mit einer hochgezogenen Augenbraue. Der unverständliche Kauderwelsch aus der Email verwandelte sich vor unseren Augen in lesbaren Text und ich klatschte begeistert in die Hände. »Wow, das ist ja wie im Film.«
    »Schön, dass du dich darüber so freuen kannst. Ich finde das eher zum Heulen«, maulte Frederik und überflog die Email.
    »Ich weiß nicht, irgendwie finde ich Bertram sehr inspirierend. Als Romanfigur wäre er großartig.«
    Frederik schüttelte den Kopf. »Schlag ihm das bloß nicht vor.«
    Schnell las ich die Email, dabei klappte mein Mund diverse Male auf. Bertram hatte wieder einmal völlig hemmungslos in der internen Kommunikation des Verlags geschnüffelt und dabei einige Emails abgefangen, die recht interessant waren. Um einen Gerichtsprozess zu vermeiden, würden sie mir demnächst einen Vergleich vorschlagen und hofften inständig, dass ich darauf einging, denn der Verlag war sich sicher, dass ich vor Gericht gewinnen würde. Außerdem fürchteten sie natürlich die negativen Schlagzeilen.
    Ganz am Ende hatte Bertram noch angefügt, dass er dem Vergleich an meiner Stelle zustimmen würde. Der Verlag würde sich ohnehin bald von Ole trennen und dann würde Bertram den Rest übernehmen.
    Ich wandte mich zu Frederik. »Was meint Bertram damit, dass er sich um den Rest kümmern wird?«
    Mein Freund zuckte mit den Achseln. »Das musst du ihn schon selbst fragen.«
    »Sehr witzig. Soll ich ihn vielleicht auf einen Kaffee einladen? Warte, ich rufe ihn kurz an. Ach nein, da war ja was!« Vorwurfsvoll starrte ich Frederik an.
    Er lachte nur. »Mein Bruder weiß mit Sicherheit schon, dass du die Email gelesen hast. Du brauchst vermutlich nur die Kamera anzuschalten.« Er deutete auf meinen Bildschirm und die kleine Webcam, die oben in der Mitte eingebaut war.
    Zwar runzelte ich die Stirn, war aber nicht abgeneigt, es auszuprobieren. Kaum hatte ich das Programm für die Kamera geöffnet, tanzte wieder ein kleiner Regenbogen über den Screen.
    Zwei Sekunden später blickte ich geradewegs in Bertrams Gesicht. Sofort nutzte ich die Gelegenheit und studierte seine Umgebung – bevor er noch in meinem Schlafzimmer saß. Allerdings schien er sich in einem schicken Appartement zu befinden.
    »Helen?«, fragte er und klang reichlich pikiert. »Du wolltest mich sprechen?«
    »Ja. Also irgendwie. Danke«, brachte ich hervor und versuchte, mich wieder auf Bertram zu konzentrieren, aber der Hintergrund lenkte mich zu sehr ab. War das etwa-?
    Bertram verschränkte seine Arme, seufzte schwer und legte den Kopf schräg. »Frederik?«
    »Bruderherz, Helen möchte sich für deine informative Email bedanken und fragt sich, was du damit meinst, dass du dich um Ole kümmerst.«
    Mit einem leichten Schulterzucken antwortete Bertram: »Das Übliche: Konto sperren, Anrufe umleiten, die Emailadresse an möglichst viele Unternehmen für Spam-Mails verteilen.«
    Frederik nickte, als hätte er nichts anderes erwartet.
    Endlich konnte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Bertram richten. »Ich bin mir noch nicht sicher, was ich davon halten soll. Aber es ist wirklich nett, dass du dich um all das gekümmert hast. Möchtest du einen Anteil vom Geld?«
    Bertrams Augen wurden groß und er blickte schockiert zu Frederik, dabei bewegte er sich ein Stück. »Ist sie betrunken?«
    Ich starrte auf den neugewonnenen Bildausschnitt und zupfte Frederik am Ärmel, während ich dezent auf den Bildschirm deutete. Das war wirklich-!
    »Nein ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher