Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zweite Nacht

Die zweite Nacht

Titel: Die zweite Nacht
Autoren: Natalie Rabengut
Vom Netzwerk:
»Guten Abend, Herr Kaspers«, säuselte die Alte und strich sich dabei durch die grauen Haare.
    Ich schnitt hinter ihrem Rücken eine Grimasse und Frederiks Mundwinkel zuckten.  
    Dann kam mir eine Idee, wie ich vielleicht doch noch das Thema wechseln konnte. »Danke, dass du mich so tapfer vor Ole beschützt hast.«
    »Nimmst du mich etwa nicht ernst? Ein Kleinkind könnte diesen Pimpf verprügeln.«
    Ich eilte vor ihm die Stufen hinab. »Natürlich nehme ich dich ernst. Ich meine es auch wirklich so: Dankeschön.« Dazu klimperte ich mit meinen Wimpern.
    »Na ja, ich kann doch nicht zulassen, dass jemand meine Lieblingsautorin anpöbelt.«
    Draußen vor der Tür blieb ich stehen. Die Sonne versank gerade hinter den Bäumen auf der anderen Straßenseite. Leise seufzte ich, durch Oles Auftauchen war unser Timing vollkommen durcheinander geraten!  
    Frederik wartete geduldig, bis ich meinen komplizierten Gedankengang beendet hatte und mich zu ihm umdrehte. Ich musterte sein gut geschnittenes Gesicht und die klugen Augen, die gerade wissend auf mir lagen. Erneut fragte ich mich, wie er es schaffte, so mühelos hinter mein Pokerface zu schauen.
    Da ich um das Gespräch ohnehin nicht herumkommen würde, konnte ich es auch direkt hinter mich bringen. »Also das gerade mit dem Ehemann, ich weiß nicht – es ist mir so herausgerutscht.«
    »Macht ja nichts«, sagte Frederik wohlwollend. »Du hast mich immerhin schon mit viel weniger schmeichelhaften Kosenamen bedacht.«
    »Du findest das also schmeichelhaft?« Ich war bereit, mich an jeden Strohhalm zu klammern, den ich bekommen konnte.
    Er verschränkte die Arme und sein Lächeln vertiefte sich. »Sagen wir so, ich kann damit leben.«
    Toll, so viel zu meinen hilfreichen Strohhalmen. Er hatte mir so eben den Boden unter den Füßen weggezogen. Aus Nervosität begann ich, mit der Schuhspitze durch den sauber geharkten Kies der Auffahrt zu scharen. Die alte Bergmann würde einen Anfall bekommen, wenn sie das sehen könnte.
    »Ich weiß nicht warum, aber in deiner Gegenwart muss ich in letzter Zeit ständig an das Wort mit H denken.«
    »Höhepunkte?«, fragte der Blödmann doch tatsächlich sehr selbstgerecht.
    Statt einer Antwort bedachte ich ihn mit einem abgrundtief bösen Blick. Dann warf ich genervt die Arme in die Luft. »Ich meine, ich schlafe immerhin schon jede Nacht bei dir und das obwohl Schröder praktisch permanent mein Leben bedroht. Also, was sagst du?«
    »Höhenangst?«, erkundigte sich Frederik mit gespielt besorgtem Gesichtsausdruck.
    Der Sonnenuntergang tauchte den Hof in goldenes Licht und ich hoffte, dass Frederik genau sah wie unglaublich unlustig ich ihn in diesem Moment fand.
    Doch er wollte einfach nicht aufhören. »Hochdruckgebiet? Hochgefühl? Hochstapler? Holzplatte? Ich kann ewig so weitermachen. Hörbücher? Hohlköpfe?-«
    Mit einer energischen Handbewegung schnitt ich ihm das Wort ab. Ich konnte tatsächlich die Ader auf meiner Stirn vor Wut pochen spüren. Wie konnte er es wagen, mich so hinzuhalten und es mir so schwer zu machen?
    »Heiraten, okay? Heiraten! Verdammte Scheiße!«, schrie ich lauthals und schlug beinahe im gleichen Moment die Hand vor den Mund. Vollkommen ertappt starrte ich auf den Boden und fragte mich, ob ich gerade tatsächlich den schlimmsten Hochzeitsantrag der Welt gemacht hatte. Ich räusperte mich, weil meine Stimme sich doch am Ende etwas überschlagen hatte. Schüchtern fügte ich hinzu: »Jedenfalls dachte ich, wir könnten das vielleicht machen.«
    Frederik verbarg sein Grinsen, indem er sich hinkniete und seine Schuhe neu schnürte. »Vielleicht.«
    Fast hatte ich seine Antwort nicht gehört. Das lag unter anderem daran, dass das Blut laut in meinen Ohren rauschte; mein hämmerndes Herz war dabei keine große Hilfe. Ich musste den Verstand verloren haben.  
    Allerdings war ich mit Frederiks Entgegnung trotzdem nicht wirklich zufrieden und wollte ihm gerade eine Antwort abnötigen, als er sich aufrichtete und über meine Schulter strahlte. »Da ist ja dein Bruder. Habe ich gesagt, dass er mit uns kommt?«
    Ganz großartig. Während ich mich umdrehte und mir ein gequältes Lächeln für Daniel abrang, nahm ich mir fest vor, dieses Gespräch noch an diesem Abend zu beenden. So leicht würde mir der liebe Frederik nicht davonkommen.
    »Seid ihr fertig?«, fragte Daniel, während er uns entgegen kam.
    Mit einem vielsagenden Blick in Richtung Frederik verkündete ich: »Also, ich bin bereit!« Vielleicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher